Geschichte Der Harzer hat das Käsebacken überdauert

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[Kurzer einfeltiger nothwendiger Bericht]
[Der Harzer hat das Käsebacken überdauert]
[Rundgang durch das alte Dorf]
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[Der grosse Hof]
[Die Flurnamen]
[Geschichten aus dem Knauf]
[Doch einen Bahnhof wollten sie nicht]
[Warum Immenrode keine Badeanstalt bekam]
[1000 Jahre dazwischen]
[Als der Krieg zu Ende war]
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[Viele Bruennlein fliessen]
[Wieder Chancen für die Weddekrebse]
[Das Ende 886 Jahre nach der ersten Währung]
[Einigkeit macht stark]
[Wer will fleißige Handwerker sehn]
[Hol mir mal die Suelzepresse]
[Über 100 Jahre Schützentradition]
[Brieftaubensportverein ‚Harzbote-Immenrode‘]


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Nicht nur Blut, auch Milch ist besonderer Saft. Sie ist nicht nur Voraussetzung für das Dasein aller Säugetiere sondern auch Ausgangsbasis oder Grundstoff für ein wertvolles Lebens- und Nahrungsmittel. Seit mehr als 5.000 Jahren bereits wird aus Milch auch Käse gewonnen. Davon gibt es heute weit mehr als 1.000 verschiedene Sorten. Eine von diesen – und bei weitem nicht die minderste – ist der Harzkäse, von dem hier die Rede sein soll.

Seit wann es überhaupt Harzkäse gibt, lässt sich nicht mit Sicherheit feststellen. Die frühesten Angaben über den schon damals so genannten »Harzer« mit seinen Varianten datieren aus den 80er Jahren des 18. Jahrhunderts. Grundstoff für den »echten Harzer« ist der Quark, der als Nebenprodukt bei der Sauerrahmbutterung aus der durch Selbstsäuerung entstandenen Magermilch anfällt. Zur Käseherstellung wurde diese saure Magermilch in den bäuerlichen Haushalten meist in größere Tonschalen gefüllt, dann kreuzweise eingeschnitten und an einem warmen Ort aufgestellt bis sie gerann. Anschließend ließ man die Molke von der so gewonnenen Quarkmasse, dem »Gerinnsel«, ablaufen.
Das geschah entweder in einem locker gewebten Leinentuch, einem daraus hergestellten spitzen Käsebeutel (mundartlich »Keesebüh«), kleinen geflochtenen Körben oder in »Käsenapfen«, das sind Schalen aus Holz oder häufiger noch aus Ton mit Löchern im Boden oder in der Wandung. Erstere werden nur um 1780 erwähnt, Tonschalen dagegen werden seit dem 16. Jahrhundert häufiger in Inventarverzeichnissen von Gutsbetrieben und Bauernhöfen aufgeführt.

Der anfangs aus Quark gewonnene Land- oder Handkäse wurde ab Anfang des 20. Jahrhunderts zu dem heutigen Harzkäse weiterverarbeitet. Ähnlich wie beim Landkäse wurde der Quark für den Harzkäse kräftig mit Salz und Kümmel durchgeknetet und danach mit der Hand zu kleinen runden oder länglichen Laiben geformt. Wie aus Aufzeichnungen aus dem Jahre 1880 hervorgeht, kamen auf ein Kilo Quark zwischen 8 bis 16 Käse. Diese wurden auf Lattenrosten, sogenannten Horden, unter Wärmeeinwirkung zum Trocknen ausgelegt. Im Winter standen diese- Horden in der Nähe des Herdes oder Ofens im Hause. Für den Sommer aber befanden sie sich in Lattenkasten, die außen an der Hauswand angebracht waren.

Wahrend dieser Trockenlagerung Überziehen sich die kleinen Käse innerhalb von etwa 8 Tagen mit einer dünnen, glasig-gelben Haut und zerfallen dann auch bei mäßigem Druck nicht mehr und konnten bereits verzehrt werden. Bis zur eigentlichen Fertigstellung aber mussten die Harzkäse anschließend noch etwa zwei bis vier Wochen unter nicht zu großer Wärmeeinwirkung getrocknet und bis zu ihrer völligen Reifung in hölzerne Tubben oder in Steintopfe »eingelegt« werden und zwar jeweils einzeln in Papier, in mit Salzwasser getränkte Leinenläppchen oder – häufiger im Sommer – in Kohlblätter eingeschlagen und anschließend in den Töpfen aufgeschichtet und diese an einen kühlen Ort abgestellt werden.

Zur völligen Reifung dieser eingelegten Käse waren nochmals vier bis fünf Wochen erforderlich. Dann war die ursprünglich weißliche Quarkmasse »fett«, das heißt gelb und durchscheinend geworden. Wurde der Käse jedoch schon halbreif verzehrt, sprach man von »gelbreif« oder »geelriep«.

Einen Höhepunkt erlebte diese »Käsebackerei« vor dem ersten Weltkrieg, wo sie überwiegend von Handwerkern aber auch auf Bauernhöfen im Nebenerwerb betrieben wurde. Einen weiteren Aufschwung nahm die »Käsebackerei« nach dem Kriegsende 1918, als sich einige dieser Nebenerwerbe zu selbständigen Betrieben vergrößerten und verhältnismäßig viele neu gegründet wurden. Die meisten dieser kleineren Käsebäckereien wurden jedoch kurz vor oder zu Beginn des Zweiten Weltkrieges im Zuge der Zentralisierung der Milchverarbeitung wieder geschlossen. Damit war auch die Zeit vorüber, als die »Käsebäcker« ihren Quark von den Molkereien in größeren Mengen in Tonnen von etwa 100 Kilo Fassungsvermögen mit eigenem Pferdefuhrwerk oder aber – bei geringerem Bedarf – in einem Fass oder einer Wanne auf einem von einem Hund gezogenen Wagelchen nach Hause transportierten.

Auch die Verarbeitungsmethoden haben sich inzwischen grundlegend verändert. Zentrum der Harzer Käsebäckerei seit Anfang der 20er Jahre bis Ende der 50er Jahre war Immenrode. In den ersten Jahren nach der Währungsreform ging die Zahl dieser meist als Nebenerwerb betriebenen Käsebäckereien von der Höchstzahl 17 jedoch immer mehr zurück. Von den verbleibenden drei größeren Betrieben in Immenrode gab zunächst die Firma Overbeck & Sohn Ende 1950 auf. Rund 20 Jahre später zwangen wirtschaftliche oder persönliche Gründe auch die zuletzt von Walter Schneider als Nachfolger von Hermann Ehlers betriebene Käsebäckerei, sowie auch die Firma Otto Rottcher & Sohn, die von Frau Dora Rottcher nach dem Tode ihres Mannes Alfred noch 10 Jahre geleitet worden war, das Handtuch zu werfen.

Sehr anschaulich schildert Frau Sander, die Großtochter des Firmengründers Otto Rottcher, den Ablauf einer Arbeitswoche in einer Immenroder Käsebäckerei: Die Käsebäckerei begann jeweils mittwochs um 4 Uhr morgens mit dem Umfüllen des aus drei Molkereien von dem betriebseigenen Fahrer in Sacken angelieferten Quarks in stabile Holzkisten auf Rollen. Die Menge belief sich je nach Nachfrage auf 800 bis 1.000 Kilo wöchentlich. Dieser in den 2 m langen, 1 m tiefen und 0,8 m hohen Holzkisten befindlichen Quarkmasse wurden Gewürze und andere Zutaten beigemengt. Auf je 600 Kilo Quark kamen 17 Pfund Salz, etwa zwei Hände Kümmel (nach Gefühl und Geschmack!) und eine kleinere Menge Reifungssalz. Diese Zutaten wurden anfangs mit der Hand, später in einer von Hand gefüllten Knetmaschine gründlich dreimal durchgeknetet. Nach dem ersten Durchgang wurde eine aus einem Seesener Labor gefertigte Weißschimmel-Kultur beigemischt. Die so behandelte Quarkmasse wurde dann in eine große Karre geschüttet und von dort in die Käseformmaschine oben eingefüllt.
Durch Vorsatz von drei verschiedenen Formen an der Austrittsöffnung presste die Maschine den austretenden Quark in verschiedene Formen. Bei der Firma Otto Rottcher & Co waren besonders beliebt der Stangenkäse, der etwa 60 Prozent der Gesamtproduktion ausmachte, ferner der »Bauernhandkäse« mit etwa 30 Prozent Produktionsanteil und der Korbkäse. Jedes dieser Käsestücke hatte ein Rohgewicht von etwa 270 Gramm, was stichprobenweise überprüft wurde.

Die aus der Maschine kommenden ausgeformten Käse wurden von zwei Frauen, den »Käselinchen«, zu je 18 Stuck auf den aus Holzrahmen mit Korbgeflecht gefertigten Horden ausgelegt. Die zu je 18 hochgestapelten Horden wurden im Reifungsraum mit Tüchern abgedeckt und bei Temperaturen van 18 Grad bis 20 Grad bis Freitag früh gelagert. Dann wurden die Horden so gewechselt, dass die oberen nach unten und umgekehrt kamen und verblieben bis Sonntag weiter im Reifungsraum. Nach dem vier- bis fünftägigen Reifungsprozess wurden die Käsestücke ab Sonntagmorgen einzeln in Cellophanpapier eingewickelt und in Holzkisten, später in Pappkartons verpackt. Die Holzkisten wurden eine Zeitlang van der Holzhandlung Etzrodt geliefert. Ab Montag morgen um 5 Uhr setzten die »Käselinchen« die von den Familienmitgliedern am Sonntag begonnene Verpackungsarbeit fort, so dass bereits um 7 Uhr morgens die Großhändler in der Umgebung Goslars beliefert werden konnten. Bei der Verpackung waren schnelle Hände gefragt, damit die Liefertermine eingehalten werden konnten Ein tüchtiges »Käselinchen« schaffte etwa 20 bis höchstens 25 Kisten in einer Stunde.

Nach dem Großhandel wurde am Dienstag der Einzelhandel in der näheren Umgebung beliefert, dann folgte die Auslieferung an Groß- und Einzelhandel in weiterer Entfernung bis etwa Hildesheim, Braunschweig und Helmstedt. Die Arbeitswoche endete am Donnerstag mit einem großen »Waschtag«, an dem die Horden in grßen Waschbottichen, wie sie ältere Hausfrauen nach von ihrer Holzbütte her kennen, tüchtig mit Bürsten »abgeschrubbt« wurden.

Die Harzer Käsebäckerei dieser Art gehört inzwischen längst in den Bereich der Nostalgie. Geblieben aber ist ein Produkt, das dank seines niedrigen Fettgehalts von weniger als ein Prozent in der Trockenmasse und seinem auf gesunder Milch basierenden Rohstoff zu den diätetisch hochwertigen und dabei auch noch sehr geschmackvollen Lebens- und Nahrungsmitteln zahlt. Der echte Harzer hat das »Käsebacken« überdauert.

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Erster Käsewagen von Hermann Ehlers mit Fahrer Heinrich Oppermann

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Käserei Herrmann Ehlers

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