Geschichte Doch einen Bahnhof wollten Sie nicht

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[Das Wappen]
[Übersicht]
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[Kurzer einfeltiger nothwendiger Bericht]
[Der Harzer hat das Käsebacken überdauert]
[Rundgang durch das alte Dorf]
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[Der grosse Hof]
[Die Flurnamen]
[Geschichten aus dem Knauf]
[Doch einen Bahnhof wollten sie nicht]
[Warum Immenrode keine Badeanstalt bekam]
[1000 Jahre dazwischen]
[Als der Krieg zu Ende war]
[Doeneken]
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[Viele Bruennlein fliessen]
[Wieder Chancen für die Weddekrebse]
[Das Ende 886 Jahre nach der ersten Währung]
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[Wer will fleißige Handwerker sehn]
[Hol mir mal die Suelzepresse]
[Über 100 Jahre Schützentradition]
[Brieftaubensportverein ‚Harzbote-Immenrode‘]


(Karl-Heinz Impe)

Über 100 Jahre stellte der Bahndamm der Strecke Langelsheim-Grauhof-Immenrode-Vienenburg optisch die südliche Begrenzung der Ortschaft Immenrode dar. Mit der Einebnung dieses Bahndamms im Bereich der Ortschaft ging für die Immenröder ein Stück .Eisenbahngeschichte« zu Ende. Doch das Aus für diese Strecke kam schon sehr viel früher. Genau 74 Jahre, 3 Monate und 12 Tage nach Inbetriebnahme wurde der Verkehr am 1. September 1949 eingestellt. Grund der Schließung war die Teilung Deutschlands.
Gewachsene Verkehrsverbindungen wurden zerschnitten, die Transporte von Westen nach Osten und umgekehrt wurden eingestellt. König Ludwigs Dampfeisenbahn von 1835 war eine Initialzündung für Deutschland. In allen deutschen Staaten bildeten sich Eisenbahngesellschaften, griffen Zehntausende zur Schaufel, um den Weg, den Schienenweg zur deutschen Einheit, voranzutreiben. Die ersten Jahrzehnte Bahnbau gleichen einem »deutschen Wunder«.

Nachdem bereits in den Jahren 1838-1843 die Strecke von Braunschweig nach Bad Harzburg – ab 1866 auch von Vienenburg nach Goslar – gebaut worden war, konnte auch die Verbindung von Löhne/Westf. über Hameln Hildesheim – Ringelheim – Grauhof nach Vienenburg in Angriff genommen werden. Von der Planung bis zur Fertigstellung war ein langer Weg. Bereits im August 1868 wurde ein »Nivellements- und Situationsplan der Eisenbahn von Vienenburg nach Neuekrug« (heute Neuekrug-Hahausen) aufgestellt. Dieser ersten Bestandsaufnahme folgten weitere Pläne sowie drei Erläuterungsberichte. In der ..Abteilung für das Eisenbahnwesen, Ministerium für Handel, Gewerbe und öffentliche Arbeiten in Berlin«, wurde der Entwurf am 29. November 1871 genehmigt.

Nach einem weiteren Plan, der aus dem Bericht der Magdeburger-Halberstädter Eisenbahngesellschaft vom 17.Apri11872 zu ersehen ist, sollte sich die Strecke im Bereich Grauhof-Langelsheim in Grauhof gabeln, und zwar sollte die Ortschaft Langelsheim südlich und nördlich umgangen werden. Während die südliche Umgehung von Langelsheim gebaut wurde, der Bahnhof wurde an der Sophienhütte geplant, wurde die nördliche Umgehung von Langelsheim, die am Dorf »Jerstedt« vorbeiführen sollte, nicht gebaut.
Bereits beim Bau der eingleisigen Bahn im Bereich der Streckenabschnitte Langelsheim-Grauhof-Immenrode-Vienenburg wurden Vorkehrungen für die spätere Erstellung des 2. Gleises getroffen, indem der Bahndamm bzw. die Einschnitte entsprechend breit erstellt wurden. Die Brückenlager wurden ebenfalls für einen zweigleisigen Betrieb gebaut. Im Bereich der »Blockstelle Immenrode«, im Heistern gelegen, bis nach Vienenburg war die Strecke 2- bzw. 3gleisig (Überholgleis, Anschlussgleis für den Kalischacht).

Wer die Höhe der Bahndämme, besonders im Bereich der Heistern kannte – sie waren links und rechts neben dem Gleis aufgeschüttet oder dienten, wie im Heistern, selbst als Fahrbahn – weiß, welche Erdmassen, natürlich alles per Hand, bewegt werden mussten, bevor die Strecke von Grauhof nach Vienenburg am 19. Mai 1875 in Betrieb genommen werden konnte. Über die Strecke Grauhof-Vienenburg, die in erster Linie dem Güterverkehr dienen sollte, wurde bis zum 1. Mai des Jahres 1883 auch der Personenverkehr geleitet. Wie aus den ersten Fahrplänen der Harzeisenbahn zu ersehen ist, verkehrten die Personenzüge von Langelsheim über Grauhof-Immenrode-Vienenburg-Goslar, ebenso die Züge aus Richtung Hildesheim. Die betuchten Leute ließen sich seinerzeit jedoch von Grauhof (aus Richtung Norden) oder von Langelsheim (aus Richtung Westen) mit der Postkutsche nach Goslar bringen bzw. sich dort wieder abholen.
Dies dürfte ab 1. Mai 1883 nicht mehr nötig gewesen sein, da an diesem Tage die Strecken Goslar-Grauhof und Goslar-Langelsheim dem Betrieb übergeben wurden und somit Goslar von der Harzbahn und aus Richtung Hildesheim direkt zu erreichen war.
Ein im Jahre 1911 von der Königlichen Eisenbahndirektion Magdeburg aufgestellter Plan zur Herstellung des 2. Gleises wurde am 18. Juni 1912 vom Königlich Preußischem Ministerium für öffentliche Arbeiten in Berlin genehmigt.

Nach Erzählung älterer Immenröder Bewohner soll das erforderliche Material für das 2. Gleis bereits dort gelagert haben. Es sei jedoch in den Kriegsjahren 1914 -1918 wieder abgefahren worden. Der Bau des 2. Gleises erfolgte nie. Die Strecke Grauhof-Vienenburg Halberstadt war nach 1883 eine reine Güterzugstrecke und sehr stark befahren. Alle Güterzüge in und aus Richtung Salzgitter-Ringelheim und Langelsheim bzw. Halberstadt liefen über den Eisenbahnknotenpunkt Grauhof.
Obwohl die Strecke unmittelbar am Dorf Immenrode vorbeilief, bekam Immenrode keinen Bahnhof.

Über den Bahnbau ist in der Chronik der evangelischen Kirchengemeinde Immenrode einiges niedergeschrieben. Wie dort in einer Eintragung vom 9. März 1899 zu lesen ist, sei in den Jahren 1871 -1875 eine Eisenbahn von Grauhof nach Vienenburg am Dorf Immenrode vorbei gebaut worden. Der Gemeinde sei auch eine Haltestelle angeboten worden. Diese sei unbegreiflicherweise trotz geringer Opfer von der Gemeinde abgelehnt worden. Spätere Versuche, einen Anhaltepunkt zu erlangen, haben zu keinem Erfolg geführt. Der frühere Gemeindevorsteher Buchterkirchen und Pastor Johannes Kuhlgatz gingen beide im Jahre 1928 auf den Bahnbau ein. Buchterkirchen schrieb hierzu in der Chronik: »Auch der zu Anfang der 70er Jahre ausgeführte Bahnbau Grauhof-Vienenburg zwang manchen Arbeiter zur Ansiedlung nach Immenrode. (Einige Nachkommen leben noch heute in Immenrode) Die Entwicklung von Immenrode hätte noch in viel günstigere Bahnen geleitet werden können, wäre man bei dem Bahnbau seitens der Gemeinde nicht so kurzsichtig gewesen, einen Bahnhof für lmmenrode abzulehnen. Alle späteren Bemühungen, die bis zum heutigen Tage (Nov. 1928) fortgesetzt sind, das Versäumte nachzuholen, scheiterte an der früheren Einstellung.«

Bei der über Jahre dauernden Arbeit waren auch Arbeiter aus Schlesien eingesetzt. Der Grund für die Ablehnung zum Bau eines Personenbahnhofes seitens der Gemeinde ist in der Chronik nicht ersichtlich. Wie aber von älteren Leuten zu hören war, sollen die damaligen Ortsvertreter den Bahnbau mit der Begründung »dann steigen in Immenrode die Franzosen aus« abgelehnt haben. Aus einem mit Datum vom 22. September an den Immenröder Pastor Seidensticker gerichteten Schreiben der Handelskammer Goslar geht hervor, dass die Bemühungen um eine Haltestelle fortgesetzt wurden. »Antwort auf Ihr an den Senator Alberti gerichtetes Schreiben vom 8. Mai 1911. Die Handelskammer hat ein erneutes Gesuch, betr. Einrichtung einer Haltestelle in Immenrode, an die Königliche Eisenbahndirektion in Magdeburg gerichtet. Vielleicht dürfte es der Sache förderlich sein, wenn Sie in Gemeinschaft mit dem Gemeindevorsteher einmal persönlich in Magdeburg vorstellig würden. Der Vorsitzende: Hermann Horn.«

In einem Schreiben der Königlichen Eisenbahndirektion Magdeburg vom 10. Oktober 1911, gerichtet an Herrn Pastor Seidensticker in Immenrode, ist folgendes zu lesen: »Zum gefälligen Schreiben vom 7. d. Mts. Zu einer Besprechung der Angelegenheit, betreffend Einrichtung einer Haltestelle bei Immenrode, sind wir am Freitag, den 13. d. Mts. mittags 12 Uhr bereit und stellen ergebenst anheim, sich zu diesem Zeitpunkte im Sitzungssaale unseres Direktionsgebäudes einzufinden.« Offensichtlich blieben diese Bemühungen ohne Erfolg. Die Strecke von Grauhof nach Vienenburg diente nach Fertigstellung der Strecken Grauhof-Goslar und Goslar-Langelsheim nur noch dem Güterverkehr.
Welche Bedeutung die Strecke Grauhof-Vienenburg hatte, wird auch deutlich, wenn man die Frachtaufkommen und den Rangierbetrieb der Güterbahnhöfe Grauhof und Vienenburg betrachtet. So wurden z.B. in Grauhof 1910 allein 133000 Tonnen., in Dörnten von der Grube »Georg Friedrich« verladenes Eisenerz versandt. Im Jahre 1919 waren es sogar 154000 Tonnen. Ein ebenfalls hohes Frachtaufkommen hatte der Vienenburger Kali Schacht. Dieser hatte von der Blockstelle Immenrode in Richtung Vienenburg ein Anschlussgleis. Hinzu kamen Braunkohlentransporte von Leipzig/ Leuna in den Westen. Während des Krieges diente die Strecke darüber hinaus noch als Nachschubweg zur Ostfront.

Wie alte, seinerzeit in Grauhof diensttuende Beamte erzählten, wurden. als der »Fliegeralarm bald ein Dauerzustand wurde« Im Überholungsgleis – es lag im Heistern – während des Alarms Lazarettzüge abgestellt. Sehr viele Immenröder waren während dieser Zeit im Streckenabschnitt zwischen Grauhof und Vienenburg oder auf den Bahnhöfen Grauhof und Vienenburg beschäftigt. Allein im Streckenabschnitt Grauhof-Vienenburg, befanden sich 6 Schrankenposten und eine Blockstelle, die rund um die Uhr 7 Tage in der Woche, besetzt waren. Hinzu kamen 4 Stellwerke in Grauhof und 6 in Vienenburg. Aufsichtsbeamte, Schalterbeamte, Bahnhofs- und Güterbodenarbeiter, Bürobeamte und Rangierpersonal sowie sehr viele Arbeiter in der Bahnunterhaltung, wohnten in Immenrode.
Als am 1. September 1949 um 7.00 Uhr morgens der letzte Zug die Strecke passiert hatte, gab der damals auf dieser Strecke diensttuende Blockwärter Wilhelm von Hof – er lebt heute als Ruhestandsbeamter in Immen rode – das Ruhesignal. Zum Rückbau der Strecke Grauhof – Vienenburg konnte sich die Deutsche Bundesbahn jedoch erst im Frühjahr 1952 entscheiden.

Wie der Artikelschreiber, der Mitte bis Ende der 50er Jahre als Fahrdienstleiter und Abfertigungsbeamter in Grauhof Dienst tat, aus eigener Anschauung weiß, verkehrte auf dem Teilstück Grauhof – LangeIsheim noch morgens gegen 7.00 Uhr und abends gegen 19.00 Uhr ein Güterzug. 1958 wurde der Verkehr auch auf dieser Strecke eingestellt und das Gleis abgebaut. Weitere 26 Jahre dauerte es, bis die OB das Gelände an Interessenten bzw. an die Nachkommen der früheren Besitzer verkaufte. Nur ein Stück Bahndamm an der B 82 – hier befand sich der Schrankenposten 4 – bis zum Klapperbrunnen, erinnert heute Immenröder noch an die »gute alte Zeit der Dampflok«. An diesem Bahnübergang hielten übrigens in den Kriegsjahren die Güterzüge außerplanmäßig, um hier die Fässer mit Quark für die Immenröder Käsebäcker auszuladen.