Geschichte Geschichte(n) aus dem Knauf

[Harzkäse] [Das Wappen] [Übersicht] [Vorgeschichtliche Funde] [Ein Blick durch das Kaleidoskop] [Aus alten Urkunden] [Kurzer einfeltiger nothwendiger Bericht] [Der Harzer hat das Käsebacken überdauert] [Rundgang durch das alte Dorf] [Entwicklung der Landwirtschaft] [Der grosse Hof] [Die Flurnamen] [Geschichten aus dem Knauf] [Doch einen Bahnhof wollten sie nicht] [Warum Immenrode keine Badeanstalt bekam] [1000 Jahre dazwischen] [Als der Krieg zu Ende war] [Doeneken] [Unser Okerstand] [Viele Bruennlein fliessen] [Wieder Chancen für die Weddekrebse] [Das Ende 886 Jahre nach der ersten Währung] [Einigkeit macht stark] [Wer will fleißige Handwerker sehn] [Hol mir mal die Suelzepresse] [Über 100 Jahre Schützentradition] [Brieftaubensportverein ‚Harzbote-Immenrode‘]


(Christoph Gutmann)

»Am Pfarrhause, welches das Greisesalter allenthalben krümmet, wird durch mühselige Gesuche bei der Gemeinde geflicket wie an einem alten Kleide, doch bleibt es alt, baufällig und stets hülfe heischend. …Die untere Hausetage musste vor einigen Jahren in eine neue umwandelt werden, wobei die obere Etage versäumet und in ihrer schwarzen Gestalt und Schlechtheit geduldet wurde, welches nicht nur eine große Unbequemlichkeit, sondern auch Rheumatismus und sonstige Übel zur Folge hat.«
Man merkt es gleich, es ist nicht Pastor Quandt, der hier über unzureichende Wohnverhältnisse und gesundheitliche Gefährdung klagt. Einer seiner Vorgänger, der Prediger Johann Friedrich August Landsberg, machte seinem Ärger Luft, als er einen Bericht über die Gemeinde Immenrode schrieb und ihn in dem vergoldeten Metallknauf auf der Spitze unseres Kirchturms deponierte. Doch nicht nur die Situation der Pastoren hat sich verändert, seit am 17. August 1756 der Knauf und die Fahne montiert wurden und dann bei jeder fälligen Reparatur Schriftstücke, Zeitungen und Münzen in dem Hohlraum versiegelt wurden.

Zu diesem Zeitpunkt war der Magister Johann Andreas Röver Pastor in Immenrode, und er hat auch den ältesten im Turmknauf erhaltenen Bericht verfasst. Seine Ausführungen über die Geschichte der Immenröder Kirche beruhen offensichtlich auf mündlicher Überlieferung und müssen zumindest teilweise als widerlegt gelten. Das gilt sicher für die Annahme, der Kirchturm sei erst im Jahr 1581 »verfertigt« worden. Hier ist wohl eine größere Reparatur unversehens mit dem Bau verwechselt worden. Im 16. Jahrhundert hatte, wie auch schon die Kirchenchronik vermerkt, der Turm bereits seine ersten 500 Jahre »auf dem Buckel«. Zunächst war er jedoch nicht Bestandteil der Kirche, sondern einer der Wehrtürme, die die Straßen zwischen Werla, Bad Harzburg und Goslar schützen sollten. Tatsächlich war im 9. und 10. Jahrhundert ganz Europa durch die Plünderungszüge umherziehender Kriegsvölker bedroht: aus Nordafrika waren es die Sarazenen, aus Skandinavien die Normannen und von Osten her die Madjaren, die in Spanien, Frankreich, Italien und Deutschland (d.h. natürlich in den Ländern, die heute diese Namen tragen) reiche Beute machten.
»Deutschland« gab es auch 1756 noch nicht, statt dessen ein »Heiliges Römisches Reich«, in dem Österreich und Preußen um die Vorherrschaft über eine Zusammenballung von Herzogtümern Fürstentümern, Bistümern, Grafschaften, Abteien usw. stritten. Pastor Röver hat auf Gedanken zur politischen Verfassung seines Heimatlandes entweder verzichtet, oder die diesbezüglichen Aufzeichnungen sind dem »Sportsgeist« unserer Vorfahren zum Opfer gefallen. Bei einer der späteren Reparaturen fanden sich im Knauf mehrere Einschusslöcher. Die Schriftstücke waren infolge der eindringenden Feuchtigkeit zum Teil vermodert und unleserlich geworden. Übrig geblieben sind die Textpassagen, die sich mit den Besitztümern der Immenröder Kirche, den Gebäuden, Kultgegenständen etc. beschäftigen. So berichtet Pastor Röver, dass in der Amtszeit seines Vorgängers Georg Christian Trumpf ein neues Pfarrwitwenhaus gebaut worden sei. Hier hatten die Witwen verstorbener Pastoren lebenslanges Wohnrecht, darüber hinaus bezogen sie eine Rente, die ihnen der amtierende Pfarrer bezahlen musste. Dieses im Jahr 1723 erbaute Haus (es wurde im Jahr 1885 an die Schulgemeinde verkauft – für 3.455,- DM) steht heute noch, jetzt bewohnt von der Familie Schuer.

Schließlich findet sich in den Aufzeichnungen aus dem Jahr 1756 ein Bericht, der 200 Jahre zurückgreift. »Darlingerode, ein Dorf, soll abgebrannt sein, das Jahr lässt sich nicht mehr bestimmen, doch ist es geschehen zwischen 1561 – 80. Sonst bestand das eigentliche Immenrode nur aus 12 Kothhöfen und etlichen Kothsassen. Durch die Herbeikunft der Darlingeröder ist diese Gemeinde sehr gewachsen und die mehrsten Kothsassen sind aus Darlingerode gekommen. Doch aber ist die Gemeinde nicht so stark gewesen als sie jetzt ist.« (Näheres zu den Wüstungen in der Nähe Immenrodes in dem Artikel von M. Watzlawik). Pastor Röver schließt seinen Bericht: »Den 17. August 1756 ist Knopf und Fahne aufgesteckt, und ich wünsche, dass Gott dieselbe lange wolle stehen und wehen lassen; besonders aber erbarme sich der Herr des Predigers und der Gemeinde.>>

Fast 50 Jahre vergingen, bis Ende März 1806 zum ersten Mal eine Reparatur nötig wurde. Die Fahne war »durch das Einknicken der morschen hölzernen Stütze welche die eiserne Stange fest umklammert, so sehr gebeugt, dass sie augenblicklich herabzustürzen und den Turm und das Kirchendach zu zerschmettern drohte.« Die Predigten des Pfarrers Landsberg, dessen Klage über den liederlichen Zustand des Pfarrhauses dieses Kapitel einleitet, müssen ein Naturereignis gewesen sein. Der Pastor war nämlich ein wortgewaltiger Mann, wie auch sein Bericht über die Demontage des Turmknaufs und der Fahne beweist. »Der Schieferdeckermeister Philipp Wagener aus Goslar fing mit dem Verfertigen der Gerüste den 26. März an, und vollendete sie den 27. ejusdem Donnerstag in einer möglichst sicheren Stellung, an welchem Tage nachmittags die Stange mit dem Knopfe und der großen schweren Fahne mit sichtbarer Lebensgefahr und beim ängstlichen Harren und heißesten Wünschen der beklommenen Zuschauer glücklich an der Beugung der faulen Stütze mit vieler Mühe und Schreckens Sonnen abgelöst, und die Stange mit dem Knopfe herabgelassen und sanft, an der Nordseite des Turmes, dem Erdboden, beim lauten Jubel der Zuschauer, übergeben ward.«

Ebenso wie der Magister Röver gibt Pastor Landsberg im Folgenden einen Zustandsbericht über die kircheneigenen Gebäude, nennt die im Kirchendienst tätigen Gemeindemitglieder und stellt fest, dass Immenrode im Jahr 1806 ca. 500 Einwohner hat. Nicht eben freundliche Worte findet der Pfarrer für die katholischen Mitbürger, die »katholischen Häuslinge, für deren Wachstum und Abkömmlinge das Kloster Grauhof unermüdet papistisch sorgt.« Besonders empfindlich reagiert er, als er seine angestammten Rechte der Gebührenerhebung gefährdet sieht. Ein Katholik hatte »ganz ungebührlich und widersinnig« für die Überführung seiner verstorbenen Frau nach Grauhof das Glockengeläut verlangt, ohne dafür bezahlen zu wollen. Daraus entwickelte sich ein 9-jähriger Rechtsstreit, den der Pfarrer, wie er mit Stolz berichtete, für sich entscheiden konnte. Es sei mithin sein Verdienst, wenn seine Nachfolger in der Zukunft ohne leidige Streitereien zu ihrem Geld kämen.

Auch über Veränderungen auf der politischen Landkarte weiß Pastor Landsberg zu berichten: seit 1803 gehörte Immenrode nicht mehr zum Bistum Hildesheim, sondern zu Preußen. Österreich und Preußen hatten einen Krieg gegen Frankreich verloren, das gesamte Rheinland wurde von den Siegern annektiert. Die deutschen Fürsten aber, die Gebietsverluste hatten hinnehmen müssen – neben Preußen auch Württemberg und Baden, Hessen-Kassel und Bayern fanden schnell einen Ausweg, mit dessen Hilfe aus der Niederlage sogar noch ein Gewinn gezogen werden konnte: das Rheinland wurde an Frankreich abgetreten und man genehmigte sich eine Entschädigung auf Kosten der reichsstädtischen und geistlichen Gebiete (auch die bis dahin freie Reichsstadt Goslar Wurde 1803 preußisch). Das Durcheinander auf der Landkarte war beseitigt – ganz Norddeutschland bis auf Mecklenburg und Schwedisch-Pommern war preußisch – und einige Millionen Deutsche hatten ungeahnt einen neuen Landesherrn.

Viel wichtiger für die bäuerliche Bevölkerung Immenrodes war wohl, dass sie in den Jahren 1805 und 1806 nur mit knapper Not einer Hungersnot entgangen war: ein ungewöhnlich kalter und nasser Sommer hatte zu einer schlechten Ernte geführt, Pastor Landsberg schreibt auf: »Den 7. September ließ ich aus Brotnot den ersten Roggen mähen. Viele mähten unreifen Roggen, welcher in Öfen getrocknet wurde, um Brot zu gewinnen… Welch ein Anblick! Da standen den 28. Oktober noch Stiegen allerlei Korns, ja ungemähtes Korn auf seinen vom Schnee gebeugten Halmen und vom Frost beeist, da beugten sich die Obstbäume mit ihrem unreifen Obste wegen des Schneemantels, der sie bedeckte.»

Auch Krankheiten grassierten während des folgenden Winters, doch, stellt der Pfarrer fest – und hier wird deutlich, dass sich in der seither vergangenen Zeit vieles zum Besseren geändert hat – »sind bis jetzt nur ein paar vernachlässigte kleine Kinder daran zu Grabe gebracht. « Was sich offensichtlich in den letzten 180 Jahren nicht geändert hat, ist die Schnelligkeit der Handwerker, wenn es um das Ausstellen von Rechnungen geht. Noch bevor sich Knauf und Fahne wieder auf ihrem angestammten Platz auf der Kirchturmspitze befanden, hatte der Pastor die Forderung in den Händen und konnte sie der Kuppel anvertrauen. 57 Taler, 21 Gutegroschen, 2 Pfennige waren inklusive der Reparaturen am Schieferdach zu entrichten. Offensichtlich hatten die Handwerker guten Hunger und kräftigen Durst mitgebracht. 15 Taler und 12 Gutegroschen, also über 1/4 der Rechnung, waren nötig, um die fleißigen Männer zu beköstigen.

Schließlich fügte der Pfarrer Landsberg den Urkunden und Berichten noch eine Zeitung bei, die »Staats- und Gelehrte- Zeitung des hamburgischen unpartheyischen Correspondenten« vom 18. März 1806. Es würde den Rahmen dieses Aufsatzes sprengen, genauer auf den Inhalt des Blattes einzugehen. Nur soviel sei gesagt, das Überfliegen der Schlagzeilen, das man heute beim Frühstück nicht missen möchte, War dazumal nicht möglich.
8 Seiten lang reihen sich Korrespondentenbriefe und -berichte ohne jede Überschrift aneinander.
Man musste schon etwas Zeit mitbringen, wenn man sich informieren wollte. Am Dienstag, den 1. April 1806 wurde der neuverlötete Knauf samt reparierter Wetterfahne unter lebhafter Teilnahme der Immenröder Bevölkerung wieder auf dem Turm montiert.

Die Handwerker erwiesen sich nachträglich als Männer von Charakter: durch die Üppige Mahlzeit hatten sie sich keineswegs zu übertrieben sorgfältiger Arbeit verleiten lassen. Schon 1833 wurde das Leben eifriger Kirchgänger durch die wackelnde und schlingernde Fahne erneut bedroht.
Allerdings, um gerecht zu bleiben, war auch ein konstruktiver Fehler dafür verantwortlich, dass schon nach 27 Jahren eine erneute Reparatur nötig Wurde: schaut man sich heute die Wetterfahne an, so sieht man in der Mitte des Bogens, der dem Fahnenblatt mit Pferd und der Jahreszahl 1756 gegenübersteht, einen kleinen Metallknauf. Dieses Ausgleichsgewicht hatte bis zum Jahre 1833 gefehlt, so dass eine starke Unwucht die Lager der Stange zusätzlich belastete.

Diesmal hatte es der derzeitige Schullehrer August Lachmund übernommen, einen Bericht über die vergangenen Jahre zu verfassen. In seinem Schreiben wird deutlich, dass die Biedermeierzeit, die uns heute als Inbegriff für Idylle und Gemütlichkeit gilt, in Wirklichkeit von politischer Unruhe und der Verelendung großer Bevölkerungsschichten geprägt war. Das war unter anderem eine Folge der stürmischen industriellen Entwicklung, die in vielen Bereichen des traditionellen Handwerks zu Preisverfall und Arbeitslosigkeit führte. Lehrer Lachmund schrieb:
»Sehr beklagenswert sind jetzt die für die geringere Volksklasse existierenden Verhältnisse, indem ihr ein großer Erwerbszweig durch die in England erfundene Spinnmaschine geraubt wurde, denn ehemals kostete der aus zehn Bind Garn bestehende Lopp drei Gutegroschen und jetzt nur 18 Pfennige.« Schon drei Jahre vorher war es, ausgelöst durch Nachrichten über die Juli-Revolution in Frankreich, auch in Deutschland – in Braunschweig, Hannover (Immenrode war mittlerweile Bestandteil des Königreichs Hannover), Sachsen und Kurhessen – zu Barrikadenkämpfen gekommen, an denen hauptsächlich Handwerker und verarmte Arbeiter beteiligt waren.
Auch der Lohn der Tagelöhner war nicht eben üppig. 4 Gutegroschen verdienten sie in Immenrode auf dem »Großen Hof«, ohne dass sie vom Bauern Verpflegung erhielten.

Bei so niedriger Bezahlung fiel es sicher schon schwer, das Schulgeld zu entrichten, auch wenn uns der Betrag aus heutiger Sicht eher lächerlich vorkommt. 20 Pfennig kassierte Lehrer Lachmund von jedem seiner 120 Schüler für die 3/4jährige Schulzeit. Für ihn reichte allerdings das Gehalt nicht zum Leben und nicht zum Sterben. Auch das Stück Ackerland, das zur Schule gehörte, konnte ihn und seine Familie nicht ernähren, zumal sich bei einer Landvermessung herausgestellt hatte, dass es statt angeblicher 6 Morgen nur knapp über 4 Morgen groß war. So schließt er dann auch seinen Bericht:

»Mein innigster Wunsch ist, dass meine Herren Successoren (Nachfolger) eine bessere Diensteinnahme genießen mögen als ich, damit sie, befreit von allen Nahrungssorgen, welche die Vervollkommnung des Geiste hemmen, ihren großen Beruf der Menschenbildung mit glücklichem, viel Segen mit sich führenden Erfolge zu führen im Stande sein werden.>>
Lehrer Lachmund fand, wie ein Nachtrag zu seinem Bericht vermerkt, eine Möglichkeit, seine Einnahmen zu verbessern und auf ganz andere Weise zur ..Vervollkommnung des Geistes« beizutragen: er gab den Schuldienst auf und eröffnete eine Branntweinbrennerei.

1861 wurde ein weiteres Mal eine Reparatur an Knauf und Fahne nötig. Dieses Mal hatte es der ehemalige Lehrer Bierschwale übernommen, einen Bericht über die vergangenen drei Jahrzehnte zu verfassen. Das politisch wichtigste Ereignis, das er erwähnt, ist sicher die Revolution von 1848. Wie war es in einem Land, in dem die Fürsten seit je her die Ruhe zur ersten Bürgerpflicht erhoben hatten, zu einem gewaltsamen Umsturz gekommen? Die Industrialisierung war weiter vorangeschritten und hatte in allen deutschen Ländern zu einschneidenden Veränderungen in der gesellschaftlichen Struktur geführt. Während auf der einen Seite Massenarbeitslosigkeit und bedrängende Armut kennzeichnend für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts waren, war durch die praktisch neu entstandene Schicht der Unternehmer der wirtschaftliche Einfluss des Bürgertums stark gestiegen. Der Adelsstand jedoch war nicht bereit, diese neue Klasse an politischen Entscheidungen teilnehmen zu lassen. Als daher im Jahr 1848 revolutionäre Unruhen in Frankreich schnell die deutschen Länder erfassten, kam es zu einer kurzlebigen Koalition zwischen zwei gesellschaftlichen Gruppen, die im Grunde genommen völlig unterschiedliche Interessen hatten: auf der einen Seite gemäßigt liberale Fabrikanten, die konstitutionell-monarchistisch eingestellt waren, auf der anderen Seite radikaldemokratische Intellektuelle, Handwerker und Bauern.
Sie alle forderten nun gemeinsam Pressefreiheit, Volksbewaffnung und Zulassung von Parteien. Nach wilden Barrikadenkämpfen (besonders am 18. März 1848 in Berlin) gaben die Fürsten auf breiter Front nach. Überall wurden liberale Ministerien gegründet, und schließlich trat im Mai in der Frankfurter Paulskirche eine Nationalversammlung zusammen, die eine freiheitliche Verfassung beschließen und eine nationale Regierung für ganz Deutschland wählen wollte. Aber was nun »ganz Deutschland« sein sollte, ob es Österreich ein schließen sollte oder nicht, daran schieden sich die Geister.
Zudem stellte sich bald heraus, dass eine Nationalversammlung ohne Machtbefugnisse nur wenig ausrichten konnte; besonders die radikalen Demokraten waren mit der Entwicklung unzufrieden und begannen nach einer zweiten Revolution zu rufen. Im September versuchten sie die Paulskirche zu besetzen, zwei konservative Abgeordnete wurden von der wütenden Menge erschlagen. Als sich damit die oppositionellen Kräfte als heillos zerstritten erwiesen hatten, konnten die alten Mächte, die Landesfürsten und der Adel, zum Gegenschlag ausholen. Die Revolution war gescheitert, und als Abgeordnete der Frankfurter Nationalversammlung Friedrich Wilhelm IV. die deutsche Kaiserkrone anboten, lehnte der Preußenkönig die »Schweinekrone« der Revolutionäre empört ab; es blieb bei einem Deutschland, das aus vielen Einzelstaaten bestand.

Es war eine Zeit der enttäuschten Hoffnungen. Traditionsbewusste Handwerker konnten dem Konkurrenzdruck der Industriebetriebe nicht standhalten und wurden in die Fabrikarbeiterexistenz gezwungen. Weder politische Freiheiten noch ein geeintes Deutschland schienen in absehbarer Zeit durchsetzbar. Für viele blieb als letzter Ausweg die Auswanderung. Amerika, das Land der unbegrenzten wirtschaftlichen Möglichkeiten und der demokratischen Bürgerfreiheit lockte. 1,5 Millionen Deutsche verließen zwischen 1848 und 1860 ihre Heimat. Bei einer derzeitigen Bevölkerungszahlvonca.39 Millionen war das jeder 26., im Ganzen 4 % der Bürger.

Betroffen waren jedoch in erster Linie die großen Städte, in denen sich die Industriebetriebe angesiedelt hatten, und der Lehrer Bierschwale beeilt sich auch zu versichern, dass »wir Hannoveraner« (Immenrode gehörte nach wie vor zum Königreich Hannover) den Landesherren stets große »Anhänglichkeit« gezeigt hätten. Aber auch auf dem Lande war die Zeit weder ruhig noch beschaulich. Nachdem schon im Jahre 1842 ein sehr trockener Sommer zu einer schlechten Ernte geführt hatte, brach im Jahr 1845 eine Kartoffelkrankheit aus, die auch 16 Jahre später, als der Bericht für den Turmknauf geschrieben wurde, noch nicht eingedämmt war. Die daraus resultierende Preiserhöhung für Lebensmittel in den folgenden Jahren traf besonders die Ärmsten hart. Sie mussten, wie Bierschwale vermerkt, ihre Habe verkaufen, um einer Hungersnot zu entgehen.
In den 50er und 60er Jahren des 19.Jahrhunderts wurde Immenrode mit allen Nachbardörfern und auch mit Goslar durch Landstraßen verbunden, deren Streckenführung der heutigen weitgehend entspricht; bis zu dieser Zeit war der Weg nach Goslar im Winter und Frühjahr unpassierbar gewesen. Der Straßenbau wurde von allen Gemeindemitgliedern der Ämter Wöltingerode und Liebenburg durch einen Aufschlag auf die Personensteuer finanziert. Auch östlich von Immenrode war eine Landstraße entstanden, die von der Sedder- (damals Södder-) Brücke über Weddingen und Groß Döhren nach Liebenburg führte; durch eine Straße von Immenrode nach Weddingen bestand auch in dieser Richtung eine Verbindung.

Bessere Straßenverbindungen erleichterten natürlich den Handel auch über größere Entfernungen.
Als hinderlich hatten sich jedoch die auch innerhalb relativ kleiner Gebiete differierenden Gewichte und Maße erwiesen. Lehrer Bierschwale schrieb: »Ein Zentner in unserem Lande hatte 112 Pfund, im Braunschweigischen 114 Pfund, der Hildesheimer Zentner hatte nur 110 Pfund.« Im Jahre 1858 wurde der Zentner auf 100 Pfund vereinheitlicht, 1 Pfund hatte 10 Loth und 1 Loth 10 Quint. Noch komplizierter war bis zu diesem Zeitpunkt der Wert der verschiedenen Geldstücke gewesen: 1 Taler hatte 288 Pfennig, 8 Pfennig bildeten einen Mariengroschen, 12 einen Gutegroschen; daneben gab es noch unterschiedliche kleine Münzen. Nun bestand ein Taler aus 30 Groschen, 1 Groschen hatte 10 Pfennig. Diese Regelung bedeutete natürlich eine große Vereinfachung für Berechnungen aller Art, doch hatten die an die alten Maße und Gewichte gewöhnten Immenröder Schwierigkeiten mit der Umstellung, wie Bierschwale berichtet.

Neben seinem Schreiben wurden im Jahre 1861 zehn Zeitungen und Broschüren im Kirchturmknauf eingelötet, ein Beweis dafür, dass auch das Druckereiwesen im Laufe der Industrialisierung einen gewaltigen Aufschwung erfahren hatte. Zweimal zeichnet auch der Pfarrer Crusius aus Immenrode als Autor (er verstarb, während die Reparaturen am Kirchturm im Gange waren): Am 16. Juni 1849 fand in Immenrode eine Feier statt, in deren Verlauf die neu gegossene Kirchenglocke geweiht wurde. Die Weihrede des Pastors wurde gedruckt und zum Preis von 1 Groschen verkauft, um den Umguss der Glocke finanzieren zu helfen. Offensichtlich stand Crusius (wie die Kirche jener Jahre überhaupt) demokratischen Strömungen außerordentlich ablehnend gegenüber: nach der Bitte, dass die »Constantia« genannte Glocke nie eine Feuersbrunst in Immenrode verkünden möge, fährt er fort:

»Möge ihre Stimme nie erschallen, mahnend zu schrecklichem Aufruhre, bei welchem alle gesetzliche Ordnung zertrümmert wird, alle Bande frommer Scheu sich lösen und der Mensch in entsetzlichem Freiheitswahne dem wüthenden Tiere gleich wird.«

Weiter ließ Pastor Crusius eine Grabrede für seinen verstorbenen Amtsbruder Schmahlstieg aus Burgdorf drucken und zugunsten des »Rettungshauses für sittlich verwahrloste Knaben« in Schladen verkaufen. Über diese Anstalt informiert ein ebenfalls im Turmknauf deponierter Jahresbericht aus dem Jahr 1852. Sieben Pastoren und der Arzt Dr. Grotjahn aus Schladen hatten zunächst eine Wohnung angemietet und einen Hausvater mit der Beaufsichtigung von sieben »verwahrlosten« Jungen im Alter zwischen 8 und 14 Jahren beauftragt. Wenig später war aus Spendenmitteln ein Bauplatz angekauft worden, auf dem ein Haus für bis zu zwölf Zöglinge gebaut werden sollte. Während der humanitäre Hintergrund dieses Vorhabens, die Mitverantwortung für die ärmsten Gemeindemitglieder, sicher auch aus heutiger Sicht Respekt verdient, erscheint die Erklärung der acht ehrenwerten Vorstandsmitglieder für die missliche Lage der Kinder wenig stichhaltig. Nicht Arbeitslosigkeit der Eltern, nicht Hunger und Elend sollten die Ursache sein, sondern ein »gottentfremdetes Leben«. So hatten denn die Jungen zwar ausreichend zu essen (was in ihren Familien sicher nicht die Regel war), darüber hinaus jedoch waren sie in einen Tagesablauf eingebunden, den wir heute Kindern nicht mehr zumuten würden: um 5.00 Uhr morgens wurde geweckt, danach wechselten sich bis 9.00 Uhr abends Bibelstunden und »körperliche Arbeiten ihren Kräften gemäß« ab, unterbrochen nur von den Mahlzeiten.
Unter diesen Voraussetzungen ist es eher verwunderlich, dass nur einer der Jungen »aus Hang zum Vagabondieren« schon mehrfach die Flucht ergriffen hatte. Die Gesellschaftsordnung, auch das wird beim Lesen des Jahresberichts klar, wurde auch und gerade von Kirchenmännern für gottgewollt gehalten. So sollte den Knaben im »Rettungshaus« zwar ein gewisses Maß an Bildung zuteil werden, aber nur gemäß ihrer Herkunft aus den »niederen Ständen«. In einem anderen Punkt jedoch kann sich unser modernes Erziehungswesen von den Grundzügen des Schladener Rettungshauses »eine Scheibe abschneiden«. Die Zöglinge, so fordern die Mitglieder des Vorstandes, seien »als Kinder einer Familie zu betrachten.« Noch über 100 Jahre später hat sich dieser Grundsatz bei der Heimerziehung sozial benachteiligter oder verhaltensgestörter Kinder nicht voll durchgesetzt.

Was die Zeitungen (mehrere Hannoversche und Hildesheimer Blätter, eine satirische Zeitung und »Der Hausfreund zur Unterhaltung und Belehrung für Leser aller Stände« wurden 1861 im Turmknauf eingelötet) zu berichten haben, kann und soll hier nicht wiedergegeben werden. Während einige Nachrichten (z.B. vom amerikanischen Bürgerkrieg) in Geschichtsbüchern ihren Niederschlag gefunden haben, hat vieles, was damals für die Leser von Bedeutung war, uns nichts mehr zu sagen. Namen sind vergessen, die Karikaturen der satirischen Zeitung »Kladderadatsch« nicht mehr aufzuschlüsseln und zu verstehen. Dagegen werden sich viele ältere Bürger Immenrodes an die nächste Reparatur am Kirchturm noch selbst erinnern.

In der Nacht vom 12. auf den 13. August 1928 schreckte ein heftiges Gewitter die Immenröder aus dem Schlaf. Trotz der Dunkelheit – es war 3.00 Uhr morgens – wurde bald festgestellt, dass an drei Stellen der Blitz eingeschlagen hatte: in einem Transformator nahe der Wirtschaft Zimmermann, in Strommasten bei der Molkerei und in den Kirchturm. Hier war der Schaden am größten. Die Schieferplatten waren quadratmeterweise heruntergefallen, und Teile des Gebälks waren von der Wucht des Einschlages herausgeschleudert worden. Wochenlang durfte der Haupteingang der Kirche nicht benutzt werden, da sich bei jedem Wind weitere Schieferen und Balken lösten und herunterstürzten. Auch die Turmuhr war beschädigt, und die Kirchenglocken blieben still, weil für den Läuter (an ein elektrisches Läutwerk war damals natürlich nicht zu denken) Lebensgefahr bestand. Der amtierende Pfarrer Johannes Kuhlgatz stellt fest dass selbst die Immenröder, sonst wenig von der Kirche wissen wollten«, das Schweigen der Glocken und der Uhr als unheimlich und bedrückend empfunden hätten. Die Fahne und der Turmknauf waren zwar vom nicht in Mitleidenschaft gezogen, dennoch wurden sie am 01. September demontiert, zumal ein Blitzableiter angebracht werden sollte.
Wieder wurden bei dieser Gelegenheit Berichte über die Gemeinde, über Vereinsgründungen und politische Ereignisse sowie viele Zeitungen im Turmknauf hinterlegt. Zunächst berichtet Pastor Kuhlgatz wie seine Vorgänger der vergangenen zwei Jahrhunderte über Zustand und bauliche Veränderungen der kircheneigenen Gebäude. 1894 waren an der Kirche umfangreiche Renovierungen vorgenommen worden. Eine Kanzel, die sich über dem Altar befunden hatte, wurde entfernt und durch eine größere an der Ostseite der Kirche ersetzt. Ein als zwecklos empfundener Vorbau vor der Tür war eingerissen und ein neuer Eingang für den Kirchturm gebaut worden.
Seit 1912 war die Kirche elektrisch beleuchtet, zwei Jahre später war von der Firma Weule aus Bockenem eine neue Turmuhr eingebaut worden. Eine der Glocken wurde kurz vor Ende des 1. Weltkrieges durch das Kriegsministerium enteignet; es gelang jedoch, sie zurückzukaufen, bevor sie eingeschmolzen und zu Kriegsmaterial verarbeitet wurde. Unwiederbringlich verloren waren dagegen der Altarteppich, das Altargedeck und ein zinnernes Taufbecken; Diebe waren im Jahr 1923 in die Kirche eingestiegen und hatten die Gegenstände entwendet. Auch auf dem Pfarrgrundstück hatte sich einiges getan: das Haus war in den Jahren 1888, 1917 und 1927 renoviert und mittlerweile auch an die Wasser- und Stromleitung angeschlossen worden. Als die Landstraße Immenrode – Harlingerode gebaut wurde, musste für die Trasse ein Stück des Pfarrgartens hergegeben werden.

Bei dieser Gelegenheit wurde die Quelle im unteren Teil des Gartens in Röhren gefasst und in zwei Bassins abgeleitet. Zur Anpflanzung neuer Obstbäume wurde diese bis dahin sumpfige Ecke des Grundstücks trockengelegt. Immen rode war weiter gewachsen: 905 Einwohner waren es im Jahr 1928, und die weiter ansteigenden Einwohnerzahlen führten zu einer regen Bautätigkeit vornehmlich entlang der Landstraße nach Weddingen. Ihren Lebensunterhalt verdienten die Immenröder nach wie vor zum Großteil in der Landwirtschaft, viele waren jedoch auch bei der Eisenbahn und am Schacht beschäftigt.

Erstmalig wurde 1928 auch ein Bericht von einem Vertreter der politischen Gemeinde, dem Gemeindevorsteher Buchterkirchen, im Turmknauf hinterlegt. Auch er weiß von Veränderungen zu berichten. In den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts war das Pfarrwitwenhaus gekauft und eine geräumige Schulklasse angebaut worden, und seitdem 1910 ein neues Schulgebäude fertiggestellt war, wurden die Schüler von drei Lehrern in vier Klassen unterrichtet. Seit 1892 befand sich eine Poststelle in der Zimmermannschen Gastwirtschaft, und bereits 1896 bekam Immenrode seinen ersten öffentlichen Fernsprechanschluss. An den Straßen rings um das Dorf wurde, wie bereits erwähnt, eifrig gearbeitet. Die Straße zur Sedderbrücke war ausgebaut worden, und mit einem Kostenaufwand von 200.000,- Mark wurde die Verbindung Immenrode Harlingerode hergestellt. Auch an das Stromnetz war das Dorf im Jahr 1912 angeschlossen worden, was zunächst keineswegs Begeisterung auslöste. Nur 27 Haushalte waren bereit, einen Anschluss installieren zu lassen; 1928 allerdings war bereits jedes Haus mit elektrischem Strom ausgerüstet. Auf eine Wasserleitung musste Immenrode länger warten: erst 15 Jahre nach der Stromversorgung, in den Jahren 1926/27, wurde sie verlegt. Dabei war der Bedarf hier sehr viel dringender. Besonders im Unterdorf war das Brunnenwasser so schlecht, dass es noch 1925 sieben Fälle von Typhus und Paratyphus gegeben hatte.

Was sich seit 1861 in Deutschland ereignet hatte, kann hier nur in Stichworten wiedergegeben werden. Preußen hatte 1866 den Krieg gegen Österreich gewonnen und in der Folge Schleswig und Holstein, Kurhessen, Nassau, Frankfurt und das Königreich Hannover (zu dem Immenrode noch gehörte) kurzerhand annektiert. Es kam zur Gründung des Norddeutschen Bundes und, nachdem Preußen 1870 auch den Krieg gegen Frankreich gewonnen hatte, zur Ausrufung Wilhelm I. von Preußen zum deutschen Kaiser. Wohl gelang es dem Reichskanzler Bismarck in den Jahren bis 1890 das Deutsche Reich in ein außenpolitisches Beziehungssystem einzubauen, das für Sicherheit und einen beherrschenden Einfluss in Europa sorgte. In der Innenpolitik bewies er jedoch eine weniger glückliche Hand: jede Form politischer Opposition identifizierte er mit unpatriotischer Gesinnung und Staatsgefährdung, und besonders Sozialdemokraten brandmarkte er als Reichsfeinde. Das Sozialistengesetz von 1878 gab den Polizeibehörden das Recht, alle sozialdemokratischen Organisationen, Presseorgane, Versammlungen etc, zu verbieten und ihre Führer zu verhaften.
Schlimm waren auch die Auswirkungen auf die noch junge Gewerkschaftsbewegung Deutschlands. Tausende waren von dem konsequent angewandten Berufsverbot für Sozialdemokraten betroffen und praktisch zu einem Bettlerdasein verurteilt. Auch Bismarck war jedoch klar, dass man der Arbeiterschaft als der zahlenmäßig stärksten Bevölkerungsgruppe wenigstens materielle Zugeständnisse machen musste, wenn man schon eine politische Einflussnahme verhindern wollte: seine Sozialversicherungsgesetze brachten den Arbeitern erstmals Kranken- und Unfallversicherung, später auch Alters- und Invalidengeld. 1890 wurde der Reichskanzler von dem seit zwei Jahren regierenden Enkel Wilhelm I., Wilhelm 11., entlassen. Den neuen Monarchen hatte der Theaterkritiker Alfred Kerr einmal mit dem Reim charakterisiert:

»Was man klar an ihm erkannt, war der Mangel an Verstand.
Sonst besäß er alle Kräfte für die Leitung der Geschäfte.«

Tatsächlich gelang es Wilhelm 11. und seinem Kanzler Caprivi innerhalb kurzer Zeit, das von Bismarck geschaffene Kräftegleichgewicht in Europa zu zerstören. Der Bruch mit Rußland und das russisch-französische Defensivbündnis schwächten die europäische Position des Deutschen Reichs erheblich. Auch die Beziehungen zu England kühlten infolge von Streitigkeiten um Kolonialgebiete schnell ab. Die ständig wechselnden Koalitionen des frühen 20. Jahrhunderts, Abkommen von Frankreich mit Großbritannien, von Großbritannien mit Rußland usw. deuten die politische Unruhe an, die sich im 1. Weltkrieg entlud. Gemeindevorsteher Buchterkirchen schreibt über die Kriegsjahre in Immenrode:

»Nicht viele Häuser in Immenrode gibt es, wo nicht wenigstens einer zum Schutze des Vaterlandes zu den Fahnen gerufen war. Groß war die Zahl, wo sie auszogen, kleiner als sie heimkehrten… Oft genug verkündeten uns die Glocken des Turmes, dass wir wieder einen guten Freund und Kameraden verloren hatten.«

So volltönend die Siegesparolen der politischen Führung und der Militärs gewesen waren, so groß war das Entsetzen über die Niederlage. Die erste Demokratie in Deutschland, die nach Kriegsende und Revolutionswirren entstand, trat ein schweres Erbe an, und der Friedensvertrag von Versailies war nicht dazu angetan, das politische Klima zu beruhigen. Der Protest gegen die drückend hohen Reparationsforderungen, Gebietsabtretungen und die Feststellung der deutschen Alleinschuld am Krieg ging zwar quer durch alle Parteien, am lautesten war er jedoch bei jenen, die noch Monate vorher für den Fall des deutschen Sieges in Annektionsträumen geschwelgt hatten, Belgien und große Teile Frankreichs dem deutschen Reich einverleiben wollten. In nationalistischen Kreisen ging die Dolchstoßlegende um, die Behauptung, das im Felde unbesiegte Heer sei durch die Novemberrevolution und das Versagen der Heimat »von hinten erdolcht worden.« Einer ihrer eifrigsten Verfechter, der Generalstabschef des Heeres und Generalquartiermeister Erich Ludendorff, musste es eigentlich besser wissen. Er selbst hatte nach seinem überstürzten Rücktritt im September »sofortigen Waffenstillstand« gefordert.

Als die Besetzung des Ruhrgebiets durch französische und belgische Truppen im Jahr 1923 die Staatsfinanzen zusätzlich zu den Reparationszahlungen belastete, sah die Regierung keine andere Möglichkeit, als »mit der Notenpresse« zu reagieren (d.h. schlicht immer mehr Geld zu drucken und in Umlauf zu setzen, ohne dass ein Gegenwert vorhanden war). Die galoppierende Inflation war da.
Pastor Kuhlgatz schreibt über diese Zeit:

»Das Geld, das die Leute sich mühsam erspart hatten, wovon sie dachten im Alter zu leben, war plötzlich nichts mehr wert… In der Inflation wurden manche Leute reich, die es vorher nicht waren, Schieber, die es verstanden hatten, möglichst viele Waren aufzuspeichern und nachher teuer zu verkaufen. Reich waren auch die Landwirte in dieser Zeit… In der schlimmsten Zeit langte unser Monatsgehalt nur für unsere Lichtrechnung und für 1/2 Pfund Butter.«

(Aus dieser Zeit finden sich auch einige Millionen Mark Scheingeld im Turmknauf).

Zwar ging die Inflation im Laufe des Jahres 1924 zu Ende, aber Gemeindevorsteher Buchterkirchen irrte sich, als er schrieb, die »scharfen politischen Gegensätze« seien 1928 bereits »überwunden«.
Dass dies nicht der Fall war, dokumentieren auch die Zeitungen, die mit in den Turmknauf gelegt wurden. Offensichtlich wollte Pastor Kuhlgatz (wenn er für die Auswahl verantwortlich war) gerade die sehr unterschiedliche Sichtweise politischer Ereignisse in den Zeitungen dokumentieren, je nachdem, welche Partei oder Interessengruppe sie repräsentierten. Sozialdemokratische und gewerkschaftliche Positionen wurden von der »Harzer Volkszeitung« vertreten, in deren Ausgabe vom 3. November 1928 z.B. mit ausgesprochener Genugtuung über den Wahlsieg der englischen Arbeiterpartei berichtet wird. Die »Hannoversche Landeszeitung« war das Organ der Deutsch-Hannoverschen Partei, die der Welfischen Bewegung zuzurechnen war und dem rechten Flügel des Bürgertums angehörte. Ein ganzseitiger Leitartikel »Zum 10. Jahrestag der Novemberrevolution« verdeutlicht, dass diese Partei im Gegensatz zu nationalistischen Gruppierungen die Dolchstoßlegende als Erklärung für die Niederlage im 1. Weltkrieg ablehnte.
Der Republik stand jedoch auch sie kritisch bis feindlich gegenüber, zumal sie über einen extrem konservativen monarchistischen Flügel verfügte. Auch die »Goslarsche Zeitung« ist mit der Ausgabe vom 12. November 1928 vertreten. Auffällig ist hier die Gegnerschaft zur sozialdemokratischen Partei. Allein die Tatsache, dass die demokratisch gewählte Mehrheit der Stadtverordneten in Breslau die Benennung von Straßen nach Persönlichkeiten aus der Parteigeschichte beschloss, erregte den Redakteur aufs Höchste. Von einem »skandalösen Streich« ist die Rede, ja bis zum »Roten Terror« der »Parteibonzen« steigern sich die Anwürfe. Einen deutlichen Vorgeschmack auf die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft bietet schließlich die Zeitung »Hannoverscher Landbund«. Unter dem Titel »10 Jahre Revolutionswirtschaft« wird nach den Verantwortlichen für die schwierige Lage der Wirtschaft im allgemeinen und der Landwirtschaft im besonderen gefragt, und man hat auch eine Antwort parat. Das »internationale Judentum« ist es, die »jüdische Weltherrschaft« soll errichtet werden, die »Rote Internationale« und das »jüdische Kapital« hätten sich vereinigt, um das deutsche Volk zu betrügen, seinen Besitz zu enteignen. Und auch die Niederlage im Krieg wird erklärt:

»Das Reich, das die Erfüllung des Traumes von Jahrhunderten schien. Die Flügel zur Weltmacht breitend, reicher von Jahr zu Jahr, schwertgewaltig, glänzender Zukunft gewiss: es wurde von innen niedergerungen.«

Nur fünf Jahre später hatte Deutschland eine Regierung die den Antisemitismus zum Regierungsprogramm machte und wieder antrat »schwertgewaltig« nach der »Weltmacht« zu greifen. Als 1951 ein weiteres Mal der Turmknauf geöffnet wurde, war die nationalsozialistische Herrschaft, die nach dem Willen der Machthaber tausend Jahre hatte dauern sollen, bereits vergangen.
Keine andere Bevölkerungsgruppe war in den Jahren vor der Machtübernahme von den Nationalsozialisten so umworben worden wie die der Bauern, und so hatte die Partei dann auch gerade in den Gebieten, in denen überschuldete Höfe, Zwangsversteigerungen und Pfändungen die verzweifelte Situation der Landwirtschaft bewiesen, eine besonders große Anhängerschaft.
Tatsächlich hatte es dann zunächst den Anschein, als sollten sich die in die NSDAP gesetzten Hoffnungen in diesem Bereich erfüllen. Mit dem Reichserbhofgesetz wurde der Versuch gemacht, landwirtschaftlichen Besitz zu entschulden und eine Zersplitterung der Betriebe durch Erbschaftsteilung zu verhindern (künftig durfte ein Hof nur an einen Erben weitergegeben werden). Nach kurzer Zeit erwies sich jedoch auch dieses Gesetzeswerk als Beispiel einer verfehlten Strukturpolitik. Die Tatsache, dass ein Erbhof nicht beliehen werden durfte, kam einer Kreditsperre für Landwirte gleich und erschwerte so dringend erforderliche Rationalisierungsmaßnahmen.
Zwischen 1933 und 1939 verlor die Landwirtschaft reichsweit 440.000 Arbeitskräfte. Zum Teil lag das am Lohnniveau, das sich infolge der Aufrüstungspolitik seit 1935 immer mehr zugunsten industrieller Arbeitsplätze verschob. Ein weiterer Grund lag im Reichserbhofgesetz selbst: Bauernsöhne, die nach den neuen Bestimmungen nicht mehr damit rechnen konnten, einen Teil des väterlichen Hofes zu erben, zeigten nur noch geringe Lust, ihre Arbeitskraft einzubringen. Sie wanderten in die Städte ab, und das kam gerade bei kleinen Höfen, auf denen keine Saisonarbeiter bezahlt werden konnten, einer Katastrophe gleich. Mehr als 100.000 Bauern gaben in den 6 Jahren vor Kriegsbeginn ihren Hof auf, und auch die Zahl zwangsversteigerter landwirtschaftlicher Grundstücke wurde größer.

Die Informationen über Immenrode in den Jahren von 1933 bis 1945 sind ausgesprochen spärlich (mehr zu diesem Problem an anderer Stelle dieses Buches). Auch der Gemeindedirektor Jerxsen beschränkte sich in seinem Bericht, den er am 14. Dezember 1951 für den Turmknauf verfasste, auf wenige Details. Bürgermeister Buchterkirchen wurde nach der Machtübernahme seines Amtes enthoben und durch ein Mitglied der NSDAP ersetzt. Auch in Immenrode hatte die Partei, wie Jerxsen berichtet, außerordentlich starken Zulauf, und besonders die SA fand viele Mitglieder. Die Gleichschaltung fand auch hier im Dorf statt: Im Laufe des Jahres 1933 mussten alle Gemeinderatsmitglieder, die nicht der Partei angehörten, ausscheiden und wurden durch NSDAP-Mitglieder ersetzt.

Trotz Terrormaßnahmen gegen die Mitglieder der Arbeiterparteien, trotz Gewerkschaftsverbot und Parteiauflösung, trotz Eliminierung der demokratischen Rechte erfreute sich die Regierung steigender Beliebtheit. Eine der Ursachen hierfür war sicher der mit großem propagandistischem Aufwand herausgestellte Erfolg bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit. Tatsächlich sehen sie Zahlen auf den ersten Blick beeindruckend aus. Von 5,5 Millionen im Jahresdurchschnitt 1932 sank die Erwerbslosenzahl über 4,8 Millionen im Jahr 1933 auf 2,7 Millionen 1934, 1937 schließlich waren es nur noch 900.000. Fragt man jedoch nach den Ursachen dieser Entwicklung, stellt sich schnell heraus, dass die Nazis nur wenig Ursache hatten, ihre Politik herauszustellen. Bereits 1932 hatte die Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt überschritten, die Arbeitslosenzahlen waren weltweit rückläufig; auch die Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen, vom Reichsautobahnbau bis zur Trockenlegung von Mooren, waren keineswegs eine Erfindung nationalsozialistischer Wirtschaftsexperten. Fast alle diese Programme waren bereits in den letzten Monaten der Weimarer Republik entwickelt und eingeleitet worden. Hinzu kommt noch, dass der Begriff der Arbeitslosigkeit neu formuliert wurde.
Als arbeitslos wurde künftig nur anerkannt und finanziell unterstützt, wer auch »politisch zuverlässig« war. Damit wurden alle politischen Gegner und auch alle Juden aus der Statistik gestrichen. Nur zwei Maßnahmen, die im Kampf gegen die Arbeitslosigkeit eine Rolle spielten, können die Nationalsozialisten als »Erfolg« eigener Politik verbuchen: die Wiedereinführung der Wehrpflicht und die bedingungslose Aufrüstung. Sie sollte, wie Hitler in einer Denkschrift zum 4-Jahresplan 1936 vermerkte, Deutschland binnen vier Jahre kriegsfähig machen. Es dauerte nicht einmal so lange, bis Erfolgsmeldungen vom »Blitzkrieg« die bröckelnde »Volksgemeinschaft« immer neu für den »Führer« begeistern sollten.
Was in zwölf Jahren nationalsozialistischer Herrschaft in Immenrode an Bau- und Modernisierungsarbeiten geleistet wurde, nimmt sich nach dem Bericht von Gemeindedirektor Jerxsen eher bescheiden aus. 90 Meter Dorfstraße wurden gepflastert, und in der Alten Siedlung wurde eine Schotterdecke auf den Weg aufgebracht. Fünf Siedlungshäuser wurden gebaut, dazu zwei Doppelhäuser für die Domänenverwaltung. Das hätte bei einer kontinuierlichen Entwicklung der Bevölkerungszahlen wohl ausgereicht, um genügend Wohnraum zur Verfügung stellen zu können. Als jedoch die alliierten Luftangriffe auf deutsche Großstädte intensiviert wurden und Evakuierungen in ländliche Gebiete an der Tagesordnung waren, stieg die Einwohnerzahl auf rund 1.400 gegen Ende des Krieges. In Immenrode herrschte Wohnungsnot.

Kriegsende in Deutschland: Kreuz und quer zogen endlose Menschenkolonnen durch die Reste des »Großdeutschen Reiches«, Flüchtlinge die einen, die die Furcht vor den einrückenden alliierten Truppen vertrieben hatte, KZ-Häftlinge die anderen, die entsprechend einem Befehl Himmlers, dass kein Häftling von feindlichen Truppen befreit werden sollte, von einem Lager zum anderen »evakuiert« wurden. (Während der Begriff »Evakuierung« im allgemeinen Sprachgebrauch für die Räumung eines Gebietes zum Schutz der Bewohner steht, tarnte die SS mit diesem Ausdruck auch und gerade Transporte, die in die Vernichtung führen sollten). Auch durch Immenrode kam solch eine Kolonne, und in Weddingen wurde ein toter KZ-Häftling in einer Scheune gefunden.
Auch nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands waren Menschen, die mit ihrer letzten Habe durch Dörfer und Städte zogen, weiter ein gewohntes Bild. Diejenigen, die vor den Luftangriffen der Engländer und Amerikaner geflohen waren, kehrten nach und nach in ihre Heimatstädte zurück, und aus den deutschen Ostgebieten, aus Polen, der UDSSR, Ungarn, der Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien kamen die Vertriebenen nach »Restdeutschland«. Eine Wohnungskommission musste in Immenrode den Wohnraum, der einmal 900 Einwohnern genügt hatte, auf 1.670 Bürger im Jahre 1951 verteilen (mehr dazu in einem anderen Kapitel).

Noch im April 1945 wurde der nationalsozialistische Gemeinderat von den Alliierten abgesetzt;
Bürgermeister Buchterkirchen konnte sein Amt wieder antreten (allerdings erst, nachdem die Besatzer zunächst quasi versehentlich ein Mitglied der NSDAP berufen hatten), und auch die Gemeinderatsmitglieder, die vor 1933 amtiert und nicht der Partei angehört hatten, wurden wieder in ihre Ämter eingesetzt. Im November 1945 wurde dann Adolf Jerxsen vom Goslarer Landrat beauftragt, die Geschäfte des Bürgermeisters wahrzunehmen. Dieses Amt hatte er ein halbes Jahr inne, bis er von der Militärregierung zum Gemeindedirektor berufen wurde; Bürgermeister war nun Heinrich Niemeyer. Nach der Kommunalwahl am 15. September 1946 übernahm auf Beschluss der Gemeinderatsmitglieder der Forstaufseher Wilhelm Fricke das Amt. Nach dem nächsten Urnengang im November 1948 wurde Gustav Impe zum Bürgermeister ernannt; er blieb es bis 1972.

Wie es sich für einen Verwaltungsbeamten gehört, hat Gemeindedirektor Jerxsen seinen Bericht über die Zeit bis 1951 nach Rechnungsjahren geordnet. Im Vordergrund standen in den nächsten Jahren Straßenbaumaßnahmen, die Wedderegulierung und Arbeiten an der Wasserleitung.
Dass die bisherige Wasserversorgung nicht ausreichte, hatte sich besonders drastisch bei einem Scheunen brand im November 1948 auf dem Hof von Wilhelm Papendieck erwiesen. Alle Maßnahmen waren kurze Zeit vorher, im Juni 1948, noch in Frage gestellt gewesen: Durch die Währungsreform hatte die Gemeinde alle Rücklagen in Höhe von immerhin fast 30.000,- Mark eingebüßt. Die wirtschaftlichen Verhältnisse besserten sich jedoch schnell, so dass schon 1950 ein neues Spritzenhaus gebaut werden konnte; 1948 hatte man das alte Gebäude wegen Baufälligkeit einreißen müssen und alles Feuerlöschmaterial in den Scheunen der Landwirte untergebracht. Der Gemeindedirektor Jerxsen schließt mit einem Überblick über das Vereinsleben in Immen rode. Der Gesangverein hatte bereits 1951 wieder 60 aktive Mitglieder und probte abwechselnd in den beiden Gastwirtschaften. In der »Deutschen Eiche« fanden auch die Übungsabende des Schützenvereins statt, und der Sportverein konnte über einen Sportplatz verfügen, der in den letzten Jahren mit einem Kostenaufwand von über 25.000,- Mark ausgebaut worden war.

Ein wichtiges Datum ist in dem von Aufbauwillen und -euphorie geprägten Bericht übergangen worden. 1949 war aus den Besatzungszonen der Westalliierten die Bundesrepublik Deutschland entstanden, aus der sowjetischen Besatzungszone die Deutsche Demokratische Republik.
Zwar war die Bildung zweier Regierungen in Bonn und in Ostberlin Ausdruck der sich vertiefenden Spaltung Deutschlands. Es war damals aber weder absehbar noch für die nicht an den politischen Entscheidungen beteiligten »Normalbürger« überhaupt vorstellbar, dass die Einbindung der bei den Staaten in den westlichen bzw. in den östlichen Machtblock diesen Zustand auf Jahrzehnte stabilisieren sollte.

Neben dem Bericht von Gemeindedirektor Jerxsen finden sich aus dem Jahre 1951 zwei weitere Schreiben im Turmknauf, eines vom damaligen Pastor Schröder-Pander, das andere vom Kirchenvorstand. Vorsteher Steckhahn beklagt sich über die Sorgfalt der 1928 ausgeführten Reparaturen des Kirchturms. Bereits nach kurzer Zeit drehte sich die Wetterfahne nicht mehr, und auch die Schieferplatten waren nicht einwandfrei befestigt und fielen herab. Im Sommer 1951 musste schließlich der Haupteingang wieder gesperrt werden und einige Wochen später die ganze Kirche; der Gottesdienst fand nun im Pfarrhaus statt. Erst im Oktober bewilligte das Landeskirchenamt die Gelder für die Reparatur, und die nun beginnende Demontage von Fahne und Knauf gestaltete sich ausgesprochen schwierig. Der Rost hatte ganze Arbeit geleistet, so dass die Fahnenstange durchgesägt werden musste. Auch diesmal fanden sich Einschusslöcher in der Metallkuppel, die Cassette jedoch, in der die Schriftstücke liegen, war unbeschädigt geblieben.

Pastor Schröder-Pander berichtet über die Schwierigkeiten der Kirchengemeinde, einen Nachfolger für den 1934 verabschiedeten Pastor Kuhlgatz zu finden. 5 Jahre lang wurden die Amtsgeschäfte vom Pfarrer der Gemeinde Gielde miterledigt. Nur ein halbes Jahr konnte der im Sommer 1939 eingeführte Pastor Hans Heidrich in Immenrode wirken. Er wurde schon im Winter eingezogen und geriet bei Stalingrad in Kriegsgefangenschaft, aus der er nicht zurückkehrte. 10 Jahre lang musste sich die Kirchengemeinde wieder mit Vertretern zufrieden geben, bis im November 1949 dann Pastor Schröder-Pander eingeführt wurde. Obwohl sein Bericht über die Jahre von 1934 bis 1951 Auskunft geben soll, wird die Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft mit keinem Wort erwähnt.
Auch dies ist ein Hinweis auf den Prozess des Verdrängens und Vergessens, dem dieses Kapitel deutscher Geschichte auch heute noch unterliegt. 1985 wurden Knauf und Fahne vom Kirchturm herunger geholt und neu vergoldet. Was bei dieser Gelegenheit an Schriftstücken und Zeitungen im Knauf hinterlegt wurde, soll hier nicht beschrieben werden, zumal über die Nachkriegsgeschichte Immenrodes an anderer Stelle berichtet wird.

Vielleicht wird es zur 1.000-Jahr Feier wieder ein Dorfbuch geben, und bis dahin haben Zeitungsartikel über Boris Becker genauso viel »Patina« angesetzt wie Pastor Landsbergs Klage über das baufällige Pfarrhaus, und der Computerausdruck mit den Namen der Gemeindemitglieder wird den Immenrödern des Jahres 2.086 mindestens so vorsintflutlich erscheinen, wie uns z.B. das erste Auto, das heute 100 Jahre alt ist.