Geschichte Kurzer einfeltiger nothwendiger Bericht

[Harzkäse]
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(Martin Quandt)

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Neue Entdeckungen und Erfindungen im 15. und 16. Jahrhundert brachten die allgemeine Weltanschauung ins Wanken.

Um 1445 erfand der Mainzer Johann Gutenberg den Buchdruck mit beweglichen Metall-Lettern. Meinungen, Ideen, Nachrichten, konnten nun schnell durch Flugblätter und Druckschriften verbreitet werden.

Durch die Lektüre griechischer Schriften entdeckte man die Kugelgestalt der Erde wieder. 1492 wurde der erste Globus entworfen. Verbesserungen in der Navigation ermöglichten 1487 Bartolomeo Diaz, das Kap der guten Hoffnung zu umsegeln. 1498 fand Vasco da Gama den Seeweg nach Indien. Die Verbindung zu den afrikanischen, asiatischen und amerikanischen Kulturen wurde möglich. Paracelsus (1493 1541) erkannte die chemischen und physikalischen Grundlagen des Lebens und reformierte die Medizin.
Handel und Wirtschaft unterlagen durch die sich immer weiter ausbreitende Geldwirtschaft sehr großen Änderungen. Die Situation in der Landwirtschaft verbesserte sich.
Die Kritik an den sozialen Verhältnissen nahm zu. Bischofe und Adlige, Herzoge und Freie Reichsstande gerieten immer wieder in Streit um Privilegien, Einnahmequellen und Macht. Der kleine Mann hatte darunter sehr zu leiden. Er konnte die großen Umbrüche nicht verstehen und reagierte vielfach mit innerer Unruhe und Lebensangst. Die alte Religion mit ihren Gnadenmitteln konnte die neue Angst vor den Veränderungen nicht beruhigen.

Heinrich d. J. zu Braunschweig und Lüneburg
regierte 1514-1568
Der Doktor der Theologie, Martin Luther, zweifelte bei seiner Suche nach einem gnädigen Gott und der Befreiung von quälendem Sündenbewusstsein immer stärker an den Gnadenmitteln der Kirche. Er fand durch intensives Bibelstudium in den Jahren 1512/13 zu der entscheidenden religiösen Erkenntnis, dass der Mensch nicht durch eigene Willensanstrengung und gute Werke von Gott anerkannt (gerechtfertigt) wird, sondern allein durch Gottes Gnade. Gegen den geschäftstüchtigen Ablasskommissar Tetzel richteten sich seine 95 Thesen, die er 1517 aufstellte.

Schnell verbreiteten sich die Thesen Luthers und wurden sehr unterschiedlich aufgenommen. In unserer Gegend führten zunächst die freien Reichsstädte Goslar und Braunschweig nach 1528 die reine Predigt des Evangeliums ein, wie sie Luther verkündete. Der Gottesdienst wurde in deutscher Sprache gehalten, beim Abendmahl der Gemeinde Brot und Wein gereicht, viele Priester heirateten, Kloster lösten sich auf; zum T eil wurden Schulen darin eingerichtet. Eine neue evangelische Kirchenordnung wurde aufgestellt. In Immenrode war seit 1512 Jacob Milias Pfarrstelleninhaber.
Er schloss sich der neuen Bewegung nicht an.

Zwischen 1519 – 1523 entbrannte zwischen dem Herzog von Wolfenbüttel, Heinrich dem Jüngeren, und dem Bischof von Hildesheim der alte Streit von neuem. Die sogenannte »Stiftsfehde« gewann dieses Mal der Herzog. 1523 wurde er der Landesherr für die Immenroder. Herzog Heinrich war ein energischer Herrscher, der treu zum alten Glauben hielt. Er betrachtete, wie viele andere Herren, die Reformation als Mutter der Revolution und befürchtete, dass die Untertanen unter dem Deckmantel der Religion politische und soziale Freiheit suchten. 1525 gab es in Goslar Unruhen und Aufruhr gegen die Ratsherren. Aufständische Bauern im Harzumland zerstörten die Kloster Walkenried und Michaelstein. Die aufständischen Bauern wurden 1525 bei Frankenstein im Norden Thüringens mit Hilfe des Herzogs geschlagen. Der Herzog aber war eifrig bemüht, alle Anfänge von Reformen und Neuerungen in der Kirche zu unterbinden.

Auf dem Reichstag in Augsburg, auf dem das Bekenntnis der lutherischen Fürsten von der Mehrheit der Katholischen Fürsten abgewiesen wurde und es so zum Protest der evangelischen Fürsten kam, erhielt Herzog Heinrich der Jüngere von Wolfenbüttel die eroberten hildesheimischen Stiftsgüter vom Kaiser als Lehen. Er setzte den Kaiser unter Druck, andernfalls ins Lager der Protestanten überzuwechseln. In den folgenden Jahren versuchte er, seine Macht auszuweiten, um auch an die reichen Silberschatze der Stadt Goslar heranzukommen. Diese schloss sich 1531 dem Schmalkaldischen Bund an, um einen Schutz gegen den mächtigeren Herzog zu erhalten.

Der Lebenswandel an den Fürstenhöfen war damals sehr zweifelhaft. Unzucht und Trunksucht waren oft anzutreffen. Die Beziehung Heinrich des Jüngeren zur schönen Hofdame seiner Frau übertraf aber das Übliche erheblich. Drei Kinder hatte ihm die Geliebte schon geboren, als er sie 1532 zum Schein erkranken, sterben und mit allen kirchlichen Ehren in Gandersheim beerdigen ließ. Die quicklebendige Eva von Trotta lebte in der Verborgenheit auf dem herzoglichen Schloss Staufenburg bei Seesen und bekam weiterhin regelmäßigen herzöglichen Besuch; noch fast zehn Jahre lang. Dieser Lebenswandel des Herzogs, vor allem der Missbrauch kirchlicher Zeremonien, seine Drohungen gegen die Stadt Goslar und Übergriffe auf ihre Burger, angeblich vom Herzog gedungene Brandstifter und Mörder, brachten die im Schmalkaldischen Bund vereinigten protestantischen Fürsten gegen Heinrich auf. Als Heinrich 1541 die Feindseligkeiten gegen Goslar verstärkte und auch ein offener Streit mit Braunschweig ausbrach, riefen die beiden Städte ihre Verbündeten um Hilfe an. Der Kurfürst von Sachsen und der Landgraf von Hessen zogen mit starken Heeren den bedrängten Städten zu Hilfe und besetzten das Land. Der Herzog musste fliehen. Der militärische Sieg wurde von den Protestanten als wahrhaft göttliche Fügung verstanden. Von den Immenrödern werden die hessischen Besatzungssoldaten wohl kaum als Befreier begrüßt worden sein, zumal sie nicht zimperlich waren – sie plünderten und raubten.

Die Besatzungsmacht begann nun überall die Reformation einzuführen. Unser Pfarrer Milies oder Millings wurde ins Kloster Wöltingerode beordert und dort überprüft. Aus dem Protokoll dieser Visitation kennen wir das Einkommen des Pfarrers. Er war außerdem Kaplan für Weddingen. Zur Pfarre gehören 4 Hufe minus ein Viertel (altes Flächenmaß) Land, sie bekommt 5 Goslarsche Scheffel Korn als Zinsen (ca. 5 Zentner), 4 Höfe müssen jeder 4 Mariengroschen zahlen. 2 Fuder (etwa 4 m3) Holz, 2 » Umgenge«, Vierzeitpfennig.

Ein Mariengroschen entspricht im Wert etwa 8 Eiern, 15 Mariengroschen dem Wert eines Paares Weiberschuhe, 4 Mariengroschen ist etwa eine Stoppelgans. Bei einem Umgang wurden Abgaben eingesammelt. In Rühle z. B. 30 Würste und 30 Brote. Aus Uerde wird von einem Umgang zu Weihnachten berichtet: 1. Worst, 1 Brot. In Ottenstein bekommt der Küster (Oppermann) von jeglichem Manne im Dorfe 1 Himpten (etwa 25 kg) Roggen. In Hohe gibt es zu Weihnachten und zu Ostern einen Umgang.

Die Kirche besitzt 2 Hufe, bekommt 2 Goslarsche Scheffel, und ein Hof muss 3 Mariengroschen zahlen. Ein Kelch und eine Monstranz sind vorhanden. Für ihre Wiese bekommt sie 12 Pfund Wachs. Der Oppermann (Küster) : Aus dem Kirchenacker 6 Morgen Umgang. Von den Einwohnern 2 Goslarsche Scheffel Roggen. Das scheint 1542 ein schmales Einkommen gewesen zu sein, denn 1544 veranschlagten die Prüfer alle Einnahmen des Pfarrers auf 16 Gulden. Sie halten eine Zulage von 20 Gulden für nötig. 1543 wurde eine Kirchenordnung erlassen, die das gesamte kirchliche Leben neu ordnet. Wieweit unser Pfarrer sich an sie hielt – halten konnte -, ist schwer einzuschätzen.
Immerhin kamen alle Anordnungen von den verhassten Besatzern. Der Herzog eroberte 1545 das Land für einen Monat (vom 26. 9. bis 21. 10.) zurück und verlangte, wieder die alte kirchliche Ordnung zu halten. Selbst Taufen ließ er lateinisch wiederholen.

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Titelblatt der Kirchenordnung von 1543

Dann aber wurde er erneut geschlagen und gefangengenommen. Wieder war die reformatorische Ordnung in Geltung. Auch wurde von den Protestanten für eine etwas bessere Besoldung des Pfarrers gesorgt. Eine wichtige Voraussetzung dafür, dass die Pfarrer sich ihrer geistigen und geistlichen Arbeit zuwenden konnten. Aber 1548, nach dem Sieg über den Schmalkaldischen Bund, kehrte der katholische Herzog Heinrich endgültig nach Wolfenbüttel zurück und führte streng den alten Glauben wieder ein, indem er die reformatorische Kirchenordnung von 1543 wieder außer Kraft setzte, die lateinische Messe anordnete und der Gemeinde beim Abendmahl nur Brot reichen Iies.

Der Fürst lies Pfarrer Milies am Freitag, dem 10. Juli 1551, nach Wolfenbüttel kommen. Nach der Messe wurden seine Personalien aufgenommen, und dann wurde er, wie ungefähr 50 andere Pfarrer aus der naheren Umgebung Wolfenbüttels in diesen Tagen, einzeln gefragt. Pfarrer Milies antwortete, er sei fast 40 Jahre geweihter Priester gewesen und habe die Pfarrstelle vom Kloster W6ltingerode erhalten (nur geweihte Priester durften im Amt bleiben). Er habe 19 Jahre eine Magd gehabt, dieselbe auf Befehl des herzöglichen braunschweigischen Kammermeisters Andreas Beßell zur Ehefrau nehmen müssen. Auch habe er alle Zeremonien (Abendmahl und Gottesdienst) auf die neue (Iutherische) Weise halten müssen. Aber jetzt halte er sich auf Befehl des Fürsten an die alte Lehre und möchte auch, so Gott will, die Tage seines Lebens dabei bleiben.

Die Priesterehe wurde geduldet, nicht aber das Abendmahl in beiderlei Gestalt. Er musste noch einmal nach Wolfenbüttel kommen, eine ziemliche Reise, seinen Irrtum bekennen, abschwören, um Absolution bitten. Es ist anzunehmen, dass Milies sein Versprechen hat halten können. Wir wissen nicht, ob er bis 1561 gelebt hat. Zu diesem Zeitpunkt soll Heinrich Althausen (Holthusen oder Holtzhausen) die Pfarrstelle übernommen haben. Er muss damals geweihter Priester gewesen sein, der treu zur alten Kirche stand. Am 11. Juni 1568 starb Heinrich der Jüngere, und Herzog Julius trat die Regierung an. Am 1. August verbot er die römische Messe und ordnete an, sich an das Augsburger Bekenntnis zu halten. Auch er ordnete eine Visitation (Prüfung) aller Pfarrer an.

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Julius, Herzog zu Braunschweig und Lüneburg (regierte 1568 – 1589)

Die Visitatoren hatten anzusagen, dass der Herzog seinen Untertanen keinen neuen Glauben aufdingen, sondern nur den uralten katholischen, apostolischen Glauben von Mißbrauchen reinigen und wiederherstellen wolle. Am 19. Oktober 1568 wurde Heinrich nach Wöltingerode beordert. Er antwortete nach dem Urteil der Visitatoren mittelmäßig und durfte auf der Pfarrstelle bleiben.

»Die Ergebnisse der Examina im Fürstentum:
27 Pfarrer wurden in Leben und Lehre wohl befunden; von 96, bei denen Hoffnung auf Besserung bestand, waren 15 kaum tragbar. 13 können zwar behalten werden, aber nicht am bisherigen Ort, während 77 Pfarrer überhaupt nicht tragbar und 59 Pfarren unbesetzt oder widerrechtlich besetzt waren. Hinzu kamen noch 11 ganz alte Pfarrer «
Holthusen wird in der Liste der Pfarrer geführt, die toleriert werden sollen. Die Prüfer sind der Meinung, dass er, mit einigen Anstrengungen, ein erträglicher evangelischer Pfarrer werden könne.
Bei einer Generalvisitation im Jahre 1572 erfahren wir:
»Der Pfarrer Heinrich Holtzhausen predigt nicht so gar wohl. Doch er hat angelobt, sich zu bessern und gro0en Fleiß anzuwenden. Er ist aber in allem seinen Tuen fleißig und verhält sich allenthalben nach der Kirchenordnung. Er hat auch gefolgige und gehorsame Pfarrkinder. Sonst sind auch in dieser Pfarre keine Gebrechen vorgefallen. «
Der Generalsuperintendent rat:
»Dieser soll auch toleriert werd(en) soll die leut zum catechismus mit viel fleis erinnern.«
So wird Holtzhausen bis zum Ende der siebziger Jahre des 16. Jahrhunderts Pfarrer nach dem lutherischen Bekenntnis in Immenrode gewesen sein.

Wir erfahren, dass die Pfarrstelle im Januar 1581 frei ist.

Am 4. Januar 1581 wendet sich das Konsistorium in Wolfenbüttel an »den verordneten kirchlichen Rath« Daniel Hoffmann in Helmstedt und bittet ihn, die beiden Schulmeister aus Riechenberg und Grauhof zu prüfen. Einer von ihnen soll Pfarrer in Immenrode werden. Am 22. Januar 1581 besteht der erst 25 Jahre alte Petrus Frickius, bisher Schulmeister zu Grauhof, sein Examen und wird in einem im landeskirchlichen Archiv vorhandenen Schreiben »wie woll uns nun ihre Jugendt anfenglich etwas stutzig gemacht« »auf die Pfarr zu Immenrode« vorgeschlagen.

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ProtokoII, so zu examine der beiden Schulmeister zum Grawenhoff (Grauhof) und Reiffenberg (Riechenberg) gehalten worden, das eine den 12., das andere den 22. Januar Anno 81 (1581) zu Helmstedt gebenn, wie woll uns nun ihre Jugeendt anfenglich etwas stutzigh gemacht. So haben sie doch berichtet daß der eine von 27 und der ander von 25 Jahren sei. Wie sie aber E.f.g. im Predigen gefallen, das lassen wir bei derselben fürstlich(en) Urtheil. Stehet nun bei E. f. g. welchem sie die Belehnung uf die Pfarr zu Immenrode zugeben, dem Probst zu Wöltingenrode gnediglich bevehlen wollen, kommen aber…
Er wird im Lauf des Jahres 1581 seinen Dienst hier angetreten haben. Da auch noch das Prüfungsprotokoll vorhanden ist, wenn auch schwer lesbar, wird man eines Tages vielleicht noch sehr viel mehr über diesen ersten Pfarrer von Immenrode erfahren können, der seinen Dienst als junger lutherischer Pfarrer begonnen hat. Der Einblick in die Visitationsakten des 16. Jahrhunderts, die im landeskirchlichen Archiv in Braunschweig aufgehoben sind, hat einige bisherige Annahmen über die Ereignisse jener Zeit als falsch erwiesen:

Pastor Rover behauptete 1756:
»Anno 1561 in den damaligen hessischen Unruhen ist diese Kirche und Gemeinde evangelisch geworden und hat sich von der Zeit an beständig, Gott sei Dank, zu solcher bekannt.« Auf Grund dieser Mitteilung, die im Knauf des Turmes aufbewahrt war, wurde meistens die Einführung der Reformation auf das Jahr 1561 datiert.
Die starke Hand Heinrich des Jüngeren und seiner Verwaltung dürfte die Einführung der Reformation zu diesem Zeitpunkt kaum zugelassen haben. 1561 mussten 14 Schöninger Bürger wegen ihres lutherischen Glaubens die Stadt verlassen. Die Visitatoren des Herzogs hatten damals die Vollmacht »alle Pfarrer und Prediger, die im Ehestand lebten und evangelischer Lehre waren, ihres Amtes zu entheben und des Landes zu verweisen«.

Mit »hessischen Unruhen« scheint die Besetzung im Jahre 1542 gemeint zu sein, als in Immenrode zum ersten Mal die Reformation eingeführt worden ist. Irrtümlich hat Rover die Einführung der Reformation mit dem Amtsantritt von Holthusen verbunden, weil in dem Gedicht seines Vorgängers am Anfang gesagt wird, dass alle Pastoren seit Einführung der Reformation aufgezahlt seien. Sie wurde aber erst im Laufe der Amtszeit Holthusens eingeführt. Auch das Urteil der Visitatoren 1568 »er antworte mittelmäßig« spricht dagegen, dass Holthusen schon 1561 auf eigene Initiative gegen die offizielle Politik im Herzogtum die Reformation begonnen hat.
Auch das spricht dafür, dass er nicht schon 1561 die Reformation eingeführt hat: Die Pfarrstelle in Immenrode wurde vom Kloster Wöltingerode besetzt. Dieses hatte 1570 vom katholischen Kaiser Maximilian II. einen Schutzbrief erhalten, war auch 1571 dem alten Glauben treu und beugte sich nicht einmal dann, als der Herzog selbst einschritt. Herzog Julius erzählt, wie er »durch alle gebührlichen Mittel die lutherische Kirchenordnung ganz sanftmutig angestiftet habe« – ohne Erfolg.

Am 27. September 1571 begab sich der Herzog mit seiner Gemahlin ins Kloster; »beide haben mit dem Superintendenten Selnecer alle Beredsamkeit aufgewandt, um die Domina (so wurde jetzt die Abtissin genannt) und die übrigen Klosterfrauen vom katholischen Glauben abzubringen: alles war vergebens, die Nonnen haben aus Anstiftung des bösen Geistes die abergIäubischen, gottesIästerIichen papistischen Greuel mit Mißhandlung, Anrufung der Götzen und verstorbenen Heiligen wiederum angerichtet und Meßpriester heimlich und öffentlich ins Kloster gebracht und die zum Übertritt geneigten Nonnen vom Übertritt abgeschreckt.«

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Nicolaus Selnecker
Der Herzog gab noch nicht auf und verfuhr wie der alte Kirchenvater Cyrill (366 – 444). Auf die Frage: wie gibst du deinen Glauben an junge Menschen weiter hat Cyrill geantwortet: »Ich lasse sie ein Jahr lang in meinem Haus wohnen.« Die Abtissin Anna von Bortensleben und die Schäfferin Steinke mussten darauf ein Jahr lang am Hof des Herzogs in Wolfenbüttel leben. Resignierend stellte man im Herbst 1572 fest: Sie sind bei ihrer verstockten Meinung und papistischen Aberglauben verharrt.« Nun war die Geduld des Herzogs am Ende, er lies eine neue Abtissin – jetzt Domina genannt – wählen, die das Kloster in ein evangelisches Frauenstift verwandelte.
Kehren wir zurück zur Zeit nach 1568, als die Reformation im gesamten Fürstentum eingeführt worden war. Die Kirche zu jener Zeit war eine obrigkeitlich geordnete Kirche. Der Fürst hatte die Reformation eingeführt und befohlen; von ihm erwarteten die meisten Pfarrer Hilfe und Unterstüzung, wenn Schwierigkeiten aufkamen. Die gab es genug. Es war ja eine ungeheure Aufgabe, mit wenigen Pastoren und Küstern alle Einwohner dem neuen Glauben, der als der wahre alte Glaube ausgegeben wurde, auch innerlich und bis in alle Konsequenzen des täglichen Lebens nahe zu bringen. Plötzlich sollten die Immenröder pünktlich am Anfang des Gottesdienstes in der Kirche sein und bis zum Ende bleiben, »währenddessen sie bisher zum Herrgott und zur Messe auf kurzen Besuche kamen.« Die Bauern hielten am Hagelfeiertag fest, der von der luth. Kirchenordnung zunächst abgeschafft worden war. Auch andere Festbräuche wie das Osterfeuer und der Johannisbaum wurden wieder aufgenommen. Sie bereiteten den Pfarrherrn großes Kopfzerbrechen und gaben Anlaß zu deftigen Mahnpredigten.

Kontrolle und Prufüngen wurden sehr streng und regelmäßig gehalten. Der Superintendent wurde so etwas wie eine Kirchen- und Sittenpolizei. Immenrode gehörte zur Spezialsupintendentur (Werla)-Burgdorf und wurde jährlich ein- bis zweimal inspiziert. »Nicht nur Pastoren und Kirchendiener wurden überprüft nach Lehre und Leben (selbst ihre Bücher wurden untersucht), nicht nur allgemeine Missstände und besondere Übeltäter (Streit, Abendmahlsverachter, Ehezuchtsachen) vorgenommen, sondern jeder einzelne Hausvater musste mit Weib und Kindern und Gesinde eine Prüfung auf Wissen und Rechtgläubigkeit Ober sich ergehen lassen.« Es ist durchaus nicht ausgeschlossen dass es irgendwo noch Akten aus der Superintendentur gibt, die uns noch genauer Aufschluss über das Leber der Immenröder geben, nicht nur über die kirchlichen Verhältnisse in jene ersten Zeit, nachdem die lutherisch Kirchenordnung in Immenrode endgültig eingeführt worden ist.

Die Menschen mussten schwer arbeiten, mussten viele Frondienste leisten und erlebten die kirchliche Ordnungsvorstellung oft als zusätzliche Belastung der Herren. »Die Leute berichten, sie wohnen am Harze und müssen fahren, wenn fürstliche Diener wollen, so Holz so Kolle; wenn sie muchten ohngefron sein, wollen sie gern zur Predigt gehn.« Den reformatorischen Glauben haben die Immenröder wohl recht selten wie Luther als eine befreiende und mutmachende Kraft erlebt: als gute Nachricht – Evangelium.